Fotografieren im grellen Mittagslicht oder Fotografie bei harschem Gegenlicht und wenn es richtig grell ist, das klingt fürs erste skurril. Denn der Fotografen-Kodex verlautbart doch: Raus aus der Mittagszeit! Viele Fotografinnen ziehen gerne am Abend los. Fotografieren in grellem Licht, eingeschlossen dem Fotothema Streetfotografie, ist nicht die erste Wahl, die uns einfällt. Aber über Tag zu fotografieren, ist eigentlich genau das, was viel eher der Realität entspricht.
Inhaltsverzeichnis
- Fotografieren im grellen Mittagslicht
Kaum jemand von uns ist so professionell und hauptberuflich aufgestellt, um an bestimmten Plätzen Stunden und gar Tage auf die optimalen Lichtverhältnisse zu warten. Dass dies anders geht, und gar nicht schlecht, erlebe ich im Zusammenhang mit Streetfotografie immer wieder. Es ist oft wolkenlos, mitten am Tag, bei strahlend blauem Himmel.
Wie also funktioniert das Fotografieren im grellen Mittagslicht? Was gilt es bei hoch stehender, greller Sonne zu beachten? Mit welchen Tricks und Kniffen lassen sich grelles Licht und dessen Auswirkungen umgehen oder gar nutzen? In diesem Artikel finden Sie einige Anregungen und Ideen, die ich selbst nutze und gerne weiterempfehle. Ich möchte Sie dazu motivieren, dem grellen Licht der Tagesmitte nicht pauschal aus dem Weg zu gehen, sondern eher kreativ zu begegnen. Kreativ in diesem Zusammenhang meint, das grelle Licht nicht nur technisch, sondern auch taktisch auszutricksen.
Kamera + Histogramm
Gute Fotos zu machen, hat nicht zwingend etwas mit der jeweiligen Kamera zu tun. Beim Fotografieren im grellen Mittagslicht, bei extremer Helligkeit, hat der Kamerasucher einen riesigen Vorteil. Denn wer keinen Sucher nutzen kann, oder in gewohnter Weise über das Display arbeitet, wird bei extremer Helligkeit die Grenzen des Machbaren erleben. Ebenso, wie bei grellem Licht ein exaktes Schauen schwierig wird, bildet die Kamera das Motiv auch nicht immer real ab. Es geht oft schief, sich überwiegend im elektrischen Sucher oder am Display auf eine verbindliche Beurteilung von Farben und Belichtung zu verlassen. Gerade, wenn die Sonne im Rücken steht, ist das Display ohnehin außen vor, und auch bei Gegenlicht wird oftmals nicht das gezeigt, was hinterher als Resultat vorliegt. Es macht daher Sinn, den Sucher dem Display vorzuziehen, das Histogramm einzuschalten, und sich im Zweifelsfall immer eher darauf zu verlassen.
Kreativ sein: Das Fotografieren im grellen Mittagslicht.
Schatten und Gegenlicht als Gestaltungsmöglichkeit
Widersprüchlich klingt es nur, ist es aber nicht. Wenn die Sonne hochsteht und strahlend hell scheint, ist dort, wo Schatten ist, meistens genug Licht. Wenn wir uns die Stellen suchen, wo die Umgebung das direkte Licht reflektiert, lassen sich hervorragende Belichtungen vornehmen. Gerade dort, wo z.B. weiße/helle Wände o. Ä. als Reflexionsfläche dienen, ist das Licht meistens wunderschön. Das gewünschte Motiv, die Person, was auch immer, zwischen uns und dem Sonnenlicht zu sehen, kann ein Vorteil sein. Das Licht zaubert eine oftmals sehenswerte Silhouette. Und nur durch leichte Drehungen entstehen auf dem Motiv, im Gesicht der Person, die spannendsten Schattenspiele.
Wir können mutig und kreativ sein, schon haben wir das Werkzeug zu tollen Gegenlichtaufnahmen. Varianten in dieser Konstellation gibt es massig. Wichtig zu erwähnen wäre noch, bei direktem Gegenlicht und/oder grellem Licht von vorn die Belichtung nicht herunter, sondern heraufzuregeln. Es klingt etwas seltsam, ins Licht hinein noch mehr Licht zuzulassen, anders wird das aber nichts. Auch hier gilt, das Histogramm im Auge zu behalten, und auch mal auszuprobieren, was sich bei unterschiedlichen Messmethoden verändert. Spotmessung muss dabei nicht unbedingt die erste Wahl sein.
Schwarz-Weiß und kurze Distanz
Alles das, was farbige Aufnahmen in harschem Licht ausschließt, wird nicht selten in der Schwarzweiß-Fotografie schön. Das zeigt sich in der Darstellung von Kontrasten, und die fahle, teils ausgebrannte Wirkung des Himmels schwenkt in etwas Interessantes, ja, Dramatisches. Insbesondere bei Portraits kommen diese Vorteile voll zur Geltung. Aufnahmen, die um die Mittagszeit bei greller Sonne entstehen, haben oft verwaschene, verblichene Farben. Das Licht ist zudem einfach zu hart, und die Kontraste zwischen direkt sonnenbeschienen Stellen und denen, die im Dunkeln sind, lassen alles wenig homogen erscheinen. Eliminieren lassen sich diese Negativ-Effekte, wenn wir nah bis sehr nah an unser Motiv herangehen. Auch der Dunst, der sich tagsüber in größeren Entfernungen am Foto zeigt, ist hiermit ausgeschlossen. Wir tun also gut daran, unsere Motive eher detailverliebter und näher in Augenschein zu nehmen.
Learning by doing: Harsches Licht und harte Kontraste lassen sich austricksen.
Was unsere Kreativität bei harschem Licht an optischen Grenzen erfährt, lässt sich teilweise mit gut eingesetztem Zubehör kompensieren. Da wäre in erster Linie die Streulichtblende vorn am Objektiv. Oftmals als Gegenlichtblende oder Sonnenblende bezeichnet, trifft das mit dem Streulicht meiner Meinung nach am ehesten zu. Diese Standardartikel verhindern nahezu immer, dass zu viel Licht auf das Objektiv fällt. Außerdem mag ich die Verwendung von Polarisationsfilter, auch Pol-Filter genannt. So wie sich mittels dieses Filters Spiegelungen und Reflexionen auf Glasscheiben o. Ä. minimieren lassen, nehmen sie bei entsprechender Anwendung auch die Reflexionen aus dem Bild, die bei harschem Licht und/oder Gegenlicht entstehen. Es gelingt, die Natürlichkeit der Hell-/Dunkelkontraste zu bewahren. Letztlich zählt wie zu anderen Herausforderungen die Routine und Erfahrung, die wir dazu entwickeln. Es geht also darum, auch für harsches Licht und Gegenlicht ein Gespür zu entwickeln, wie sich das Licht (um das es beim Fotografieren ja immer geht) am besten nutzen lässt.
Hier noch zwei völlig verschiedene Gegenlichtaufnahmen, die ungefähr denselben Hintergrund haben. Im zeitlichen Abstand der beiden Fotografien liegen etwa 15 Minuten. Bei der Aufnahme mit dem Sportwagen stand die Sonne noch etwas höher. Es war möglich, sie nur indirekt ins Bild wirken zu lassen. Mir gefällt gut, dass die Fahrzeugfront beschattet ist, und somit die Scheinwerfer viel besser zur Geltung kommen. Die Schattenseite der Berge im Hintergrund empfinde ich auch als schönen Kontrast zum Hauptmotiv. Beim Foto der Blumen steht mir die Sonne fast in gerader Linie gegenüber, und etwas tiefer. Durch die Froschperspektive gelangt das Licht voll hinter die Blüten, sodass ich sie dominant ins Bild wirken lassen kann. Beim Aufblenden gilt es zu schauen, dass die hellen Bildanteile nicht völlig ausbrennen.
Ein Fazit für das Fotografieren im Mittagslicht könnte sein, dass es einen Versuch wert ist, sich mit harschem, grellem Licht zu versöhnen. Wir können angemessene Technik nutzen, unsere Auswahl der jeweiligen Brennweiten anpassen, Entfernungen und Perspektiven geschickt einsetzen, und die tollen Möglichkeiten einer modernen Kamera für diesen sehr speziellen Fall auskosten.
Viel Freude und gutes Gelingen wünsche ich Ihnen!
Herzliche Grüße,
Ihr Dirk Trampedach
Fotomotive im Gegenlicht fotografieren – Fortgeschrittene Fotoidee >>
Einfach bei Regen Fotografieren – Fotoidee >>
Das Fotografieren bei grellem Mittagslicht mag zunächst skurril erscheinen, da Fotografen oft zur Mittagszeit meiden. Doch in der Realität sind viele nicht in der Lage, auf optimale Lichtverhältnisse zu warten.
Für die Streetfotografie ist dieses Licht oft ideal. Während der Mittagssonne können wir Fotografen einige Tipps beachten. Die Wahl des Suchers statt des Displays ist ratsam, da letzteres bei grellem Licht oft unzuverlässig ist. Außerdem hilft uns das Histogramm, eine genaue Belichtung zu gewährleisten.
Kreative Herangehensweisen wie die Nutzung von Schatten und Gegenlicht können beeindruckende Ergebnisse liefern. In der Schwarz-Weiß-Fotografie können die Einschränkungen des grellen Lichts umgangen werden. Der Einsatz von Zubehör wie Streulichtblenden und Polarisationsfiltern kann ebenfalls hilfreich sein.
Insgesamt ist das Fotografieren im grellen Mittagslicht eine lohnende Herausforderung, die von uns Fotografen mit der richtigen Herangehensweise und Ausrüstung gemeistert werden kann. Es eröffnet interessante kreative Möglichkeiten und kann zu beeindruckenden Ergebnissen führen, wenn man sich darauf einlässt.
Zwischen zwölf und drei hat der Fotograf frei
Ergänzung von Peter Roskothen
Wer die Regel aufgestellt hat “Zwischen zwölf und drei hat der Fotograf frei.” oder “In der grellen Mittagssonne sind die Bilder für die Tonne.”, gehört gefeuert. Welcher Fotograf kann denn bei einer Hochzeit bestimmen, ob die bei grellem Mittagslicht stattfindet? Wer kann sich bei einer gelungenen Straßenszene aussuchen, ob das zwischen zwölf und drei Uhr passiert? Und wer kann es sich leisten, beim Bergspaziergang bis 22 Uhr zu warten, wenn die blaue Stunde einsetzt? Alles Quatsch.
Wie Du, Dirk, schon richtig sagst, müssen wir uns arrangieren. Ich mag im Urlaub nicht nachts den Berg herabsteigen, weil ich ahne, dass es schon genügend Fotografen in der Dunkelheit zerbrezelt hat. Ich mag nicht in Urlaub jeden Tag um fünf Uhr aufstehen, nur um die Sonne aufgehen zu sehen. Und viele Aufnahmen sind in schwarzweiß erst richtig gut, wenn es starke Kontraste hat. Auch das Portraitshooting kann ich nicht immer verschieben. Da nehme ich einen Aufhellblitz, um zu starke Schatten im Gesicht des Models zu minimieren.
Wenn ich in Venedig zur Mittagszeit Masken zum Karneval fotografiere, nehme ich den Systemblitz zu Hilfe. Auf der Straße kann ich mir weder Blitz noch zu viel Aufmerksamkeit erlauben. Auch hier fotografiere ich selbstredend zur Mittagszeit bei greller Sonne, warum auch nicht? Gerade die Straßenfotografie kann von Schatten und Licht profitieren. Und bitte versuchen Sie mal Ihre Fotos in Schwarzweiß zu schießen. Das ist ungemein spannend. Danke für den tollen Artikel, Dirk!
© Dirk Trampedach, Journalist für Fotografie bei *fotowissen – Das Fotografieren im grellen Mittagslicht
Die wichtigsten Begriffe aus dem Artikel sind: Fotografieren, grelles Mittagslicht, Gegenlicht, Streetfotografie, Kamera, Histogramm, Schatten, Schwarz-Weiß, Zubehör, Belichtungskorrektur, Streetfotografie.
Hilfeaufruf von *fotowissen
*fotowissen leistet journalistische Arbeit und bittet um Ihre Hilfe. Uns fehlen in diesem Jahr noch etwa € 23.500,- um den Server, IT, Redaktion und um die anderen Kosten zu decken. Bitte beschenken Sie uns mit dem Spendenbutton, sonst müssen wir in Zukunft die meisten Artikel kostenpflichtig bereitstellen. Das wäre schade, auch weil das weitere unkreative Aufgaben stellt, die wir zeitlich kaum stemmen wollen. Vielen Dank!
Mit Paypal für *fotowissen schenken. Vielen Dank!*fotowissen Newsletter
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit dem *fotowissen Newsletter, der sonntagmorgens bei Ihnen zum Frühstück bereitsteht. Der *fotowissen Newsletter zeigt die neuesten Beiträge inklusive des Fotos der Woche, Testberichte, Tipps und Ideen für Ihre Fotografie und vieles mehr. Einfach anmelden, Sie können sich jederzeit wieder abmelden und bekommen den Newsletter einmal pro Woche am Sonntag:
Hallo Herr Trampedach,
gerade wenn es in der Streetfotografie darum geht, möglichst DSGVO-konforme Bilder zu fotografieren, kommt die grelle Mittagsonne ins Spiel. Denn wo Licht ist, ist auch Schatten! Personen werden zu Silhuoetten und Gesichter werden unkenntlich. Denn immer nur die Rückseite von Personen zu zeigen, wird auf die Dauer langweilig. Somit ist die grelle Mittagssonne ein unerlässliches Hilfs- und Stilmittel, besonders für Fotografen die bei Veröffentlichung ihrer Bilder den Konflikt mit Persönlichkeitsrechten scheuen. Aber auch ohne diesen Aspekt ist das Spiel mit grellem Licht und Schatten eine Bereicherung. Geradlinige Schattenverläufe sind dankbare Helfer beim Aufbau einer interessanten Bildgestaltung durch Geometrie. Nach meiner persönlichen Erfahrung ist es aber die Schwarz-Weiss-Fotografie die dadurch profitiert, hauptsächlich weil hierbei mit höheren Kontrasten gearbeitet werden kann, die bei Farbaufnahmen meist problematisch werden können.
Ich bin gespannt auf Ihre nächsten Artikel!
Viele Grüße vom Bodensee
Werner Utz
Hallo Herr Utz,
eine wunderbare Ergänzung zum Thema, mit Fokus Streetfotografie, haben Sie da bereitgestellt, vielen Dank! Einige Dinge, die Sie erwähnen, gingen mir auch durch den Kopf, sind aber im Bemühen um etwas weiter gefasste Thematik “hintenrunter” gefallen. Von daher freut es mich sehr, dass Sie sie hier aufgreifen. Und ja, ich stimme mehr als zu, das leidige Fotografieren hinter Leuten her, ist nicht nur langweilig, sondern wird dem Kern von Street Photography auch längst nicht mehr gerecht.
Herzliche Grüße von der Straße,
Dirk Trampedach