Dieser Beitrag “Vollformat Pro und Contra” wurde zuerst im Mai 2016 publiziert und im November 2022 für Sie um weitere Informationen und Grafiken erweitert.
Inhaltsverzeichnis
Einführung Vollformat
Kurze Einführung in das Vollformat Kamera Thema
Als Vollformat-Kamera bezeichnet man Kameras, die einen Sensor haben, der dieselben Maße, wie der frühere Kleinbildfilm (24 mm x 36 mm) zu analogen Kamerazeiten hatte. Der Begriff “Vollformat” ist von Kameraherstellern geschickt gewählt, suggeriert er doch das obere Ende der Fahnenstange, was jedoch nicht stimmt. Es existiert noch das größere Mittelformat oder Super-Vollformat mit größeren Sensoren. Dazu gleich mehr.
Sensoren existieren in vielen Größen. Die am häufigsten genutzten Größen finden Sie hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Sensorformate_KB.svg
Alternativ zu den Vollformat-Sensoren nutzen viele Kameras das APS-C Format. Der APS-C Sensor hat eine Größe von (etwa) 15 mm x 26 mm. (Nikon und Canon Sensoren weichen etwa einen Millimeter voneinander ab).
Der Vollständigkeit halber zur Einordnung noch drei weitere Sensorgrößen: Nikon nutzt weiterhin das 1“ Format bei den Systemkameras, welches einen Sensor von 13,2 x 8,8 mm hat. Mittelformat-Kameras haben 33 x 44 mm oder 36 x 48 mm große Sensoren und ein Smartphone wie das iPhone 6 hat einen Sensor von 4,9 x 3,7 mm.
- Smartphone – ca. 4,9 x 3,7 mm Sensorgröße
- Kompaktkamera, Bridgekamera – ca. 13,2 x 8,8 mm Sensorgröße
- MFC Kamera (Micro-Four-Third) – ca. 17,3 x 18 mm Sensorgröße
- APS-C Kamera – ca. 23,6 x 15,8 mm Sensorgröße
- Vollformatkamera – ca. 36 x 24 mm Sensorgröße
- Mittelformatkamera – ca. 44 x 33 mm oder größerer Sensor
Grafik oben: Sensorgrößen Digitalkameras Smartphone, MFT, APS-C, Vollformat, Mittelformat.
Foto oben von links nach rechts: Vergleich Mittelformatkamera, Vollformatkamera und APS-C Kamera.
Auflösung Megapixel
Die Größe des Sensors hat nichts mit der Auflösung in Megapixeln zu tun. Ein Beispiel: Die Nikon D610 und die D810 verwenden beide einen Vollformatsensor, der 35,9x24mm groß ist (beide sind Vollformatkameras). Die D810 hat aber eine Auflösung von 36,3 Megapixeln, wohingegen die D610 „nur“ 24,3 Megapixel auflöst.
Die Erklärung für diesen Unterschied ist in der Größe jedes einzelnen Sensorpixels zu finden. Um die höhere Auflösung bei gleicher Sensorfläche zu erreichen, müssen die einzelnen Sensoren der D810 kleiner sein als bei der D610. Konkret nutzt die D810 Sensoren mit 4,8 µm Pixelpitch, während die D610 Sensoren mit 5,9 µm Pixelpitch nutzt. Nochmals als Vergleich dazu: Der Pixelpitch des kleinen iPhone Sensors liegt bei 1,5 µm und ist dabei für Smartphones immer noch ein hervorragender Wert.
Je größer der einzelne Sensorpunkt ist, desto lichtempfindlicher kann er sein, um umso geringer ist tendenziell das Rauschverhalten der Kamera.
Vollformat * Pro und Contra
Um das Thema mal aus zwei vollständig anderen Blickwinkeln zu betrachten, haben Ulrich und Peter zwei Stellungen zu Vollformat Pro und Contra bezogen. Beide sind auf ihre Art interessant und Sie werden vielleicht feststellen, dass das Thema nicht so einfach zu beantworten ist:
Lieber Ulrich, Vollformat ist doch vollkommener Quatsch für die meisten Menschen, welche gerne fotografieren. Was soll das bitte? Die meisten knipsen mit einem Handy herum und die Qualität der Fotos ist unterirdisch. Ich kann mich an einen Unternehmer erinnern, der mir einen Diamanten auf seinem Handy zeigte, den er selbst fotografiert hatte. Voller Stolz zeigte er mir das Foto, welches natürlich für Profis eine Lachnummer war. Falsch ausgeleuchtet, teilweise unscharf, das Objekt nicht richtig positioniert, Spiegelungen, au Weia. Wofür braucht der Vollformat, wenn er nicht mal weiß, was ein gutes Foto ist?
Kaum einer braucht Vollformat
Jetzt möchtest Du uns teure Vollformatkameras mit noch teureren Objektiven verkaufen und keiner braucht sie. Nein, Quatsch, Profis, die brauchen Vollformat. Nicht alle übrigens, eine ganze Reihe von Profis fotografiert mit APS-C Sensoren und anderen Crop-Sensoren. Sportfotografen und Wildlifefotografen fotografieren häufig mit weniger Megapixel und Crop. Warum überhaupt Vollformat?
Quantität statt Qualität
Gut, ich fotografiere auch beruflich mit Vollformat. Lediglich auf ein paar Hochzeiten nehme ich eine schnelle Canon 7D für Portraitaufnahmen und andere wichtige Momente mit, die viele Fotos in Folge verlangen. Dabei kommt es doch den meisten Hochzeitspaaren nur darauf an, dass sie 2.000 Fotos für EUR 300,- bei 10 Stunden Anwesenheit und weitere 30 Stunden Bildbearbeitung bekommen. Macht ungefähr einen Stundenlohn vor Steuer von EUR 7,50, also deutlich unter Mindestlohn.
Aber es kommt nicht darauf an, denn genau diejenigen möchten auch gar kein Album daraus machen. Zwei Jahre später haben sie zweimal die Fotos auf dem Rechner durchgesehen und noch kein Album bestellt. Geschweige denn einen Abzug oder ein Poster aus einem der Fotos. Dieser Zielgruppe müssen wir weder Vollformat erklären, noch über Bildgestaltung reden.
Wir leben in einer Konsumwelt, in der die Qualität der Fotografie nur für wenige Menschen eine wichtige Rolle spielt. Diese haben dann den Wunsch auf Vollformat, weil es bessere Qualität bei weniger Umgebungslicht verspricht. Und weil das Vollformat verzerrungsfreiere Weitwinkelaufnahmen belichtet.
Kleine Kameras sind der Hit
Privat laufe ich jetzt mit einer Fujifilm X100S durch das Leben und mache die schönsten Aufnahmen. Das ist kein Vollformatsensor, sondern ein kleinerer, ausgezeichneter Fujifilm Sensor, welcher mir völlig ausreicht. Damit kann ich riesige Poster an die Wand hängen, für die ich längst keinen freien Platz mehr habe, weil alles voller Fotos hängt. Und in Zukunft werden wohl Bilderrahmen eher ausscheiden. Da werden Fernseher an der Wand hängen, auf dem ich jeden Tag ein anderes Fotos ausstellen kann. Dafür benötige ich höchstens 72 dpi, kann also Handyfotos nutzen und sie in 2 Meter Größe an die Wand hängen.
Die leichteren Cropkameras sind doch einfach besser zu tragen und wer möchte denn mit 50+ Jahren aufwärts noch mit 15 Kilo Gepäck im Rucksack herumschleppen? Wir haben von der vielen Arbeit ohnehin alle den Rücken kaputt. Da wird es mal Zeit, mit dem Quatsch aufzuhören und sich wieder auf Bildinhalte zu konzentrieren. Keine Sau interessiert sich mehr für Bildinhalte – den meisten Männern läuft der Sebber aus dem Gesicht, wenn sie über die neuesten Kameras wie die Nikon D5, die Canon 5D Mark IV, 1D X Mark II oder ähnliche Modelle unterhalten. Es gibt bereits Internet-Foren in denen nur noch Gerüchte über die kommenden Kameras von Sony mit Mittelformatauflösung berichtet wird. Scheiß der Hund drauf, die machen das Foto nicht. Es ist immer noch das Auge, der Mensch, der die Fotos macht. Das Werkzeug ist doch fast Nebensache.
Vollformat – nur etwas für Profis.
Warum ich mit einer Vollformatkamera fotografiere.
Es gibt gute Gründe für Vollformatkameras und es gibt gute Gründe für Kameras mit APS-C Sensoren. Dies ist kein „gut“ oder „schlecht“, „schwarz“ oder „weiß“ Thema, sondern eines, das von den eigenen Zielen, Bedürfnissen und Rahmenbedingungen abhängig ist.
Entsprechend möchte ich auch nicht für oder gegen Vollformat oder APS-C argumentieren, sondern erklären, warum ich das Vollformat bevorzuge.
Im Wesentlichen sind hier:
- Lichtstärke (oder neudeutsch Low-Light-Performance)
- Bessere Auflösung bei zugeschnittenen Fotos
- Die Möglichkeit Motive besser vom Hintergrund freistellen zu können
- Aufnahmen im Weitwinkelbereich
Lichtstärke
Ich fotografiere oft Outdoor Sportveranstaltungen, bei denen ich aufgrund der Schnelligkeit des Spiels Verschlusszeiten kürzer als 1/1000 sec. benötige. Ich versuche mit möglichst „kleiner“ ISO Einstellung, kurzer Verschlusszeit und offener Blende zu fotografieren. Ein Vollformat Sensor fängt in etwa eine Blendenstufe mehr Licht ein als ein APS-C Sensor.
Da die hiesigen Wetterbedingungen nicht immer die besten sind, muss man oft zu hohen ISO Werten greifen, um die Verschlusszeit kurz halten zu können. Hier ist die Lichtstärke eines Vollformatsensors sehr vorteilhaft, um nicht mit verrauschten Fotos zu enden.
Auflösung bei zugeschnittenen Fotos
Meine Kamera hat eine Auflösung von 6016 x 4016 Pixeln im Vollformat. Während ich bei Landschaftsfotos, die ich aufnehme, das Motiv sehr bewusst wähle und dabei auch nur das auf dem Sensor zu haben, was ich auf dem späteren Foto darstellen möchte, sieht es in der Sportfotografie etwas anders aus. Das Spiel ist so schnell und nimmt häufig eine unerwartete Richtung, sodass ich bei der Wahl der Brennweite immer etwas „Luft“ lasse, um bei unerwarteten Richtungswechseln nicht einen Teil der Szene nicht mehr im Bildausschnitt zu haben. Auf dem fertigen Bild schneide ich den „leeren Raum“ um die eigentliche Szene später weg.
Hier bin ich froh, genügend Pixel zur Verfügung zu haben, um auch nach dem Bildzuschnitt eine hinreichende Auflösung im Foto zu bekommen. Ja, auch APS-C Sensoren lösen heute schon recht hoch auf. Diese Sensoren haben dann aber einen kleineren Pixelpitch (s.o.) und eine etwas geringere Lichtempfindlichkeit, die die Kameraelektronik dann ausgleichen muss.
Möglichkeit Motive freizustellen
Mit einem Vollformatsensor und den passenden Objektiven kann ich mit Blende f/2,8 oder auch f/1,8 das Motiv viel besser vom Hintergrund freistellen, als die mit APS-C Sensoren möglich wäre. Dies gibt gestalterisch für mich mehr Möglichkeiten. Gerade auch für Portraitaufnahmen nutze ich dieses Potenzial sehr gern.
Aufnahmen mit Weitwinkelobjektiven
Landschaftsaufnahmen und mein 18 mm Objektiv gehören einfach zusammen. Nicht „um so viel Landschaft“ auf das Bild zu bekommen, sondern um möglichst nah an ein Objekt herangehen zu können, um dann aus der geringen Entfernung zu einem Vordergrundobjekt eine mitunter dramatische Perspektive zu haben. Würde ich mit einer APS-C Kamera fotografieren, würde diese über den Verlängerungsfaktor des Sensors aus meinem 18 mm Objektiv rechnerisch ein 28,8 mm Objektiv machen. Damit wäre der Bildeindruck ein komplett anderer, so nicht gewollter.
Fazit:
Ja, die Kombination von Vollformat-Kamera und Objektiven ist teurer und schwerer / größer als bei APS-C. Mir ist das aber die bessere Bildqualität / Low Light Performance, das Freistellungspotential und die besseren Möglichkeiten im Weitwinkelbereich wert.
Anmerkung * Pro und Contra
Das Projekt “*fotowissen Pro und Contra“: Die neue Form für *fotowissen Leser aus dem Jahr 2016. Die beiden Streithähne von Pro und Contra vertreten immer gegensätzliche Meinungen. Übrigens kennt keiner die Meinung des anderen im Vorhinein. Beide stellen ihre Meinung im Artikel ein, ohne den anderen Text vorab zu kennen.
Nachtrag 2022: Peter schreibt mit Absicht provokativ und fotografiert seit ein paar Jahren für professionelle Fotografien mit dem Fuji GFX Mittelformat, nutzt für Wildlife eine Vollformatkamera von Canon (EOS R5), wegen des besseren Autofokus und für alles andere unterwegs das Fujifilm X-System / APS-C Format.
Fragen und Antworten Vollformat FAQ
APS-C oder Vollformat
Meine Meinung zum Thema APS-C oder Vollformat ist, dass Fujifilm qualitativ ebenso gute Kameras im APS-C Format baut, wie andere Marken im Vollformat. Die Kameras unterscheiden sich ein wenig in den Ausführungen, aber Fujifilm glänzt mit hervorragenden (nicht billigen, sondern preiswerten) Objektiven. Vollformat von Canon, Nikon oder Sony ist im Hinblick auf Autofokus im Jahr 2022 dann vorn, wenn es um Tierfotografie oder Wildlifefotografie geht.
Gewicht der Ausrüstung
Vollformat Objektive sind aufgrund des größeren Sensors meist schwerer, als APS-C-Objektive. Das lässt sich nicht immer so sagen, weil es auch auf die Qualität der Gläser ankommt. Aber generell sind Mittelformat-Objektive auch wegen der größeren Sensorfläche noch schwerer. Wer eine besonders leichte und kleine Ausrüstung wünscht, der greift zu MFC (Olympus und Panasonic) oder zum APS-C-Format (z. B. Fujifilm).
Vollformat Kamera Test
*fotowissen hat viele Vollformat Kameras getestet. Oft sind die Objektive wichtiger als der Kamerabody. Überhaupt schneiden APS-C und Vollformat in Hinblick auf Bildqualität häufig ähnlich ab. Es ist schon fast eine Glaubensfrage geworden und manchmal nur auf Testbildern herauszufinden, welche Kamera die beste ist. Es hängt vieles von den Kriterien ab:
- Handlichkeit / Haptik
- Design
- Funktionen
- Optiken
- Anwendungen / Fotothemen
- Preis
- Gewicht
- …
Letztlich lässt sich die Frage nach MFC, APS-C, Vollformat, Mittelformat immer nur anhand der individuellen persönlichen Wünschen beantworten.
Ist Vollformat wirklich besser als andere?
Das ist so generell nicht zu beantworten. Die Grenzen verschwimmen spätestens seitdem Fujifilm das APS-C Format und das Mittelformat hoffähig machte. Auch Olympus und Panasonic sind mit dem MFT-Format für bestimmte Fotogenre interessant. Vielleicht darf ich es mal so ausdrücken: Vollformat (und auch Mittelformat) ist vor allem dann interessant, wenn man das Geld dafür hat. Kleinere Budgets finden im APS-C Format wunderbare Systeme, die meist leichter sind. Auch eine Kompaktkamera oder ein Smartphone können Sinn ergeben, je nach Anspruch. Sie merken schon, wie schwierig das Thema Vollformat Pro und Contra tatsächlich ist.
Detailvergleich Fujifilm X-H2 versus Canon R5: Links der Ausschnitt von der X-H2 (APS-C-Kamera, 40 Megapixel), rechts der Ausschnitt der R5 (Vollformatkamera, 45 Megapixel).
Warum kann Vollformat besser sein?
Weil der größere Sensor die Pixel nicht so dicht nebeneinander legt, wie ein kleinerer Sensor mit gleicher Auflösung. Wenn die Hersteller 24 Megapixel auf einem winzigen Handysensor unterbringen, dann sind die kleineren Pixel sehr dicht nebeneinander, im Vergleich zu MFT, APS-C, Vollformat oder gar Mittelformat. Kleinere Pixel und kleinerer Abstand führt zu schlechterer Bildqualität. Es hat seinen Grund, größere Sensoren anzubieten. Aber auch hier ist wieder Fujifilm eine Ausnahme, denn der X-Trans-Sensor kann schärfer abbilden als andere Sensoren (Verzicht auf den Anti-Aliasing-Filter).
APS-C versus Mittelformat
Ist das APS-C-Format dem Mittelformat gewachsen? Immerhin kann eine APS-Kamera mit Objektiv wesentlich leichter und preiswerter sein, als eine Mittelformatkamera. Aber die Frage ist doch, ob APS-C dem Mittelformat hinsichtlich der Bildqualität gewachsen ist. Klare Antwort: Nein. Wenn wir eine APS-C-Kamera wie die X-H2 mit 40 Megapixeln mit einer Mittelformat-Kamera wie der GFX 50S mit 50 Megapixeln vergleichen, dann sind nicht allein die Megapixel für die Bildqualität ausschlaggebend, sondern auch die Sensorgröße, die Objektive und viele weitere Merkmale. Beide Kameras sind Top-Kameras, hier der Vergleich:
Detailvergleich Fuji X-H2 versus GFX 50S: Links der Ausschnitt von der X-H2 (APS-C-Kamera, 40 Megapixel), rechts die GFX 50S (Mittelformatkamera, 50 Megapixel).
Ihre eigene Meinung zu dem Thema würde uns besonders interessieren. Diese können Sie unter dem Artikel in der Kommentarfunktion schreiben. Wir würden uns sehr freuen!
© Ulrich und Peter – Vollformat Pro und Contra
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