Foto-Tour Nordsee mit Fuji-JPG-Rezept – Filmsimulation Cool-City
Liebe Fotobegeisterte,
mitnehmen möchte ich sie gerne auf eine kleine Reise ans Meer. Nachdem ich lange Jahre gar keine Salzluft geschnuppert habe, war ich dieses Jahr schon zweimal an der See. Nach Mön/DK im Frühsommer, hat es mich nun an den Jadebusen/Nordsee verschlagen. Das Wetter war eindeutig herbstlich. Viel Wind, teils stürmisch, und klare Stunden mit Sonne und hellen Wolken waren in der Unterzahl. Der Himmel sah überwiegend aus wie eine riesige, semi-transparente Fläche aus Butterbrotpapier. Der Möglichkeit, dies nach der Belichtung mittels Fotoprogrammen auszutauschen oder umzulackieren, verweigere ich mich gerne. Lieber nehme ich es so, wie es ist, und mache situativ das Beste draus.
In diesem Fall bedeutete das, alles im Bildlook „Cool City“ zu belichten. Dieser kühle, teilweise eisblaue Grundton liegt deutlich neben standardisiert belichteten Fotos. Außerdem passt dieser Bildlook meinem Geschmack nach perfekt zu den maritimen Motiven und der vorgefundenen Wetterlage. Diese von mir selbst entworfene Komposition, die sich als eigene Film-Simulation in der Kamera abspeichern lässt, habe ich hier bei *fotowissen vor einiger Zeit schon vorgestellt. Ich möchte daher nicht erneut alle Parameter aufzeigen, aber bei Interesse findet sich das hier im älteren Artikel. Die Fotos dieser Tour sind im Nachgang wie gehabt unbearbeitet, und dementsprechend in JPEG „out of cam“, wie man so schön sagt. Sie sind entstanden mit der FUJIFILM X-T2, dem XF 35mm f/1,4 R und XF 16mm f/1,4 R WR.
Fotos Wilhelmshafen/Kaiser Wilhelm Brücke
Erster Anlaufpunkt war Wilhelmshafen. Eine umfängliche Stadtbesichtigung sollte es nicht werden, schließlich waren das Meer, der Hafen, die Schiffe der Hauptgrund hierher zu kommen. Gut verbinden lassen sich alle diese Eindrücke im Umfeld der alten Kaiser-Wilhelm-Brücke. Diese größte Drehbrücke Deutschlands von 1907 ist beeindruckend schön. Autoverkehr findet wechselweise einspurig per Ampelsteuerung statt. Wenn man sich gut vorbereitet und schnell ist, hat man die Brücke immer für einen kurzen Augenblick für sich allein. Diese Gelegenheit gilt es zu nutzen!
Von der Brücke nach Süden schauend, blickt man in den sogenannten “Großen Hafen”. Was hier so unbedarft und üppig groß an Wasserfläche vor einem liegt, birgt unter anderem eine Entmagnetisierungsanlage für Kriegsschiffe. In der anderen Richtung fällt der Blick auf die ehemalige Torpedowerft der Kriegsmarine. Dort befindet sich heute das Marinemuseum, was die großen, typisch grauen Schiffe auch nachdrücklich vermitteln. Technisch mag das große Feld der Kriegsmaschinerie ja noch irgendwie spannend sein, rein inhaltlich ist mir dieses Thema von Gewalt und Vernichtung seit eh und je zuwider. Ich begrenze mein Interesse daher auf den rein fotografischen Aspekt, während ich durch die schweren, vernieteten Brückenelemente schaue.
Varel/Dangast
Für den kompletten Aufenthalt hier am Jadebusen hat es keinen Plan gegeben, außer einem intuitiven Einlassen auf das, was sich zeigt. Und Meer sollte es sein. Durch Städte laufen kann ich auch daheim. Varel wirkt übersichtlich und beschaulich. Vor allem am Hafen und an der Fähre wird das sichtbar. Zu verschiedenen Tageszeiten war ich dort, und kaum jemand war zu sehen. Neben allerlei privater Segelschiffe und Jachten liegt auch am Kai vertäut die „Etta von Dangast“. Bis 2021 wurde sie für Schiffsrundfahrten durch den Jadebusen noch genutzt. Die eigentlich geplante Abwrackung blieb dem charmanten, alten Kahn erspart. Stattdessen liegt sie nun hier im Hafen von Varel, wo sie für zukünftige Aufgaben im Bereich Gastronomie modernisiert und hergerichtet werden soll.
Etta von Dangast: Fotos von bestimmten Dinge wirken intensiver, wenn man deren Geschichte kennt.
Das Wattenmeer ist sowieso schon eine skurrile Landschaft. Richtig seltsam wirkt es auf mich bei dieser dunstigen Wetterlage, wenn der Übergang von Watt, Wasser und Horizont nahezu verschwimmt, und stellenweise ineinander überzugehen scheint. Viel Bewegung findet im Übergang vom Hafen Varel durch die Schleuse ins offene Wattenmeer wohl nicht statt, denn die “Wilhelm-Hammann-Schleuse” ist eine sogenannte Sielschleuse. Sie überbrückt keinen Höhenunterschied, sondern läßt sich nur öffnen, wenn Außen- und Binnenwasser den gleichen Stand erreicht haben.
Dangast liegt in Wurfweite, ist aber völlig anders. Diese alte, am südlichsten in der Nordsee gelegene Bäderstadt hat einige spannende Ecken. Neben teils recht touristisch angehauchten Orten und Plätzen, ist der Sielhafen für ein Landei wie mich seltsam anziehend. Bei Ebbe ist soeben gerade noch die eigentliche Fahrrinne hinaus ins Meer sichtbar.Daneben erhebt sich das Watt. Boote oder Schiffe waren an den Liegeplätzen keine zu sehen. Auch das macht Fotos schon außergewöhnlich. Häfen ohne Schiffe, das ist schon seltsam anzuschauen.
Nur Mut: Sinnestäuschungen und Illusionen bergen eine hohe Spannung. Sie lassen sich sichtbar machen.
Die Pflöcke mit ihren Spiegelungen im Wasser verbiegen dermaßen die Perspektive, dass ich einigen Male genau hinsehen muss, um die Spiegelebenen zu erkennen. Die Schafe haben eine Dauerkarte für den Deich, und sie sind heute eindeutig in der Überzahl. So, aus der Ferne, wirkt das alles fast schon witzig. Wie schön, nicht so dicht dran gewesen zu sein. Das Watt mit den eingefallenen Prielen wirkt gespensterhaft. Für einen Augenblick denke ich mir statt des Watts wieder Wasser, und dann sieht es beinahe so aus, als würde das Meer in die Spalten hinein laufen.
Neben allerlei Skulpturen, die sich im Bereich des Strandes und des alten Kurhauses befinden, hat mich „Jade 2“ inspiriert.

Wenn ein Motiv nach vielen Aufnahmen schreit, sollten wir sie machen.
Diese grün gefärbte, stoisch aufrechtstehende, nackte Dame steht schon seit gut 40 Jahren dort. Der relativ geringe Betrieb am Strand macht möglich, mich ihr fotografisch zu nähern, ohne mich permanent gestört zu fühlen. Aber auch generell ist es mal etwas anderes, Strandszenen zu fotografieren. Ob es ein alter Steg ist, oder ein modernes Gebäude, es offenbart alles Motive, die nicht zwingend aussehen müssen, wie tausende vorher.
Die Wahrnehmung orientiert sich nicht am eigentlichen Objekt, sondern an möglicher Komposition + Motiv.
Wenn ich mich mit Kamera bewege, schaue ich anders. Ohne Kamera lege ich den Unterschied fest zwischen Dingen oder Eindrücken, die ich als „schön“ oder als „nicht schön“ empfinde. Mit Kamera verschwimmt dieser Unterschied. Die Wahrnehmung orientiert sich nicht mehr daran, was ich sehe, sondern eher an der Herausforderung, wie ich es zu sehen in der Lage bin. Das macht zum Beispiel möglich, dass aus einem Teil der Kategorie „nicht schön“, ein ansprechendes und anspruchsvolles Motiv werden kann.

Havenwelten in Bremerhaven
Letzter Ort der kleinen Reise ist Bremerhaven. Eine wirklich großartige Art, sich der Stadt zu nähern, ist, per Fähre von Nordenham/Blexen die wuchtige, breite Wesermündung zu überqueren. Bei etwa 20 Minuten Fahrt bleibt ausreichend Gelegenheit, den weit hinten liegenden Hafen von Nordenham/Großensiel zu betrachten, und weiter vorne die beachtliche Silhuette von Bremerhaven auf sich zukommen zu sehen.
In einer so lebendigen, tollen Stadt lässt es sich bestens verzetteln. Das Angebot sehenswerter Plätze und Einrichtungen ist immens. Doch ich wollte ja ans Meer! Daher konzentriere ich meine Aktivitäten auch hier auf die Nähe zum Wasser und zu den Schiffen. Die Havenwelten Bremerhaven sind ein Stadtviertel im Bereich des neuen und alten Hafens, und das hat schon dem Namen nach eine deutlich maritime Ausrichtung. Mich fasziniert der Kontrast zwischen Altertum und Neuzeit, den dort vor allem die neueren Gebäude im Gegensatz zu den alten Schiffen ausmacht. Die richtig großen touristischen Attraktionen sind auch in extrem auffälligen Gebäuden untergebracht. Historisches Museum, Klima-Haus, Deutsches Auswandererhaus, Zoo, Deutsches Schifffahrtsmuseum. Herausragend ist die große, weich geschwungene Architektur des Klimahauses. Mich erinnert es an ein Schiff, andere sehen eine Wolke darin. Wie auch immer, hier am Hafen platziert, ist es vortrefflich gesetzt.

Was wären Havenwelten ohne historische Schiffe? Ich finde es faszinierend und herrlich, dass sie überlebt haben und einen so großartigen Liegeplatz bekommen durften. Mich zieht es hin zu diesen historischen Seglern und Dampfschiffen im Museumshafen. Als Jugendlicher habe ich Seefahrergeschichten verschlungen. Mobby Dick, Schatzinsel, Romane von Jack London oder J.F. Cooper, ich habe nichts ausgelassen. Wenn ich dann hier am Kai stehe, fällt es nicht leicht, den Blick im Kamera-Modus zu behalten. Es gibt einfach zu viel zu sehen.
Es ist immer eine Herausforderung, zu zweit unterwegs zu sein, wenn nur einer fotografiert. Ein Segen, wenn es dennoch klappt! Meine Vorgehesweise dabei ist, die kurzen Momente und sich ergebenden Gelegenheiten nicht ins Endlose zu ziehen oder mit Einstellungsklimbim zu verschwenden. Meine Kamera ist in voreingestellter ISO-Automatik eingerichtet, Verschlußzeit ebenso, einzig die Blende gebe ich vor. Was dann noch bleibt an kleineren Belichtungskorrekturen nehme ich mit genau dieser vor. Im Gegensatz zu Blende oder Verschlußzeit ist die Abstufung dabei auch deutlich kleiner. Das kommt gerade auch bei Nutzung dieser “Cool City”- Einstellung den Foto-Ergebnissen zugute.
Zum Schluss bedanke ich mich recht herzlich für ihre Aufmerksamkeit und das Interesse am Artikel! Es würde mich freuen, wenn ihnen die Mischung aus Foto-Report und Reisebericht zugesagt hat, und erlaube mir, sie zu Kommentaren, Kritik, Anregungen, oder was auch immer Ihnen einfällt, zu ermuntern. Auch dafür einen lieben Dank!
Freundliche Grüße, ihr
Dirk Trampedach
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