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Fotos und die Bedeutsamkeit ihrer Namen

Liebe Fotobegeisterte,

es kommt immer mal wieder vor, dass mich so “aus dem Augenwinkel” irgendwelche Situationen  anspringen, und damit verbunden fast schon nötigen, ein Foto zu machen. Vermutlich kennt solche oder ähnliche Augenblicke jeder Fotografierende, der mit der Kamera im Auge durch die Zeit geistert und sein Umfeld permanent bewußt oder unbewußt abscannt. Vermutlich schärft sich immer mehr der fotografische Blick, je länger man fotografiert. Ich erkenne das daran, dass ich mittlerweile selbst dann fotografisch schaue, wenn ich gar keine Kamera dabei habe. Oder ich habe sie doch dabei. Dann befinde ich mich an Orten und Plätzen, die durchaus belanglos erscheinen, und dennoch zieht meinen Blick irgendeine Situation an, die fotografiert werden will. So manche klasse Aufnahme kommt dabei rum, aber längst nicht nur solche. Manches Ergebnis ist beim späteren Betrachten in Ruhe daheim dann doch nicht so geraten, wie es dort vor Ort auf den ersten Blick aussah. Und damit sind wir schon ein bisschen in meinem Thema. Was passiert eigentlich in diesem “ersten Augen-Blick”? Und WAS fotografieren wir da eigentlich? Läßt sich das deutlich sagen, benennen ? Hat das Foto einen Namen, den ich schon vorab zu finden in der Lage bin?

Am Anfang steht ein Name - Fotos und die Bedeutsamkeit ihrer Namen
Am Anfang steht ein Name

Foto Namensgebung

Je länger ich mich damit beschäftige, den Fotos VOR der Aufnahme einen Namen zu geben, umso spannender ist das, was daraus entsteht. Vielleicht ist es Aufmerksamkeit, oder ein Teil dessen, was wir Sehenlernen nennen. Mir macht das Tun, wie auch die Ergebnisse jedenfalls so viel Freude, dass ich mich entschlossen habe, hier davon zu berichten. Es geht also um Fotos, und die Bedeutsamkeit ihrer Namen.

Ein Beispiel: Da steht irgendwo in einem grauen Vorort mit faden Reihenhäusern ein auf Hochglanz polierter, leuchtend roter Sportwagen vor dieser Tristesse. Denke ich vorher drüber nach, WAS genau ich eigentlich dort sehe, werden 2 völlig unterschiedliche, aber vor allem, völlig unzufällige Fotos entstehen können! Lasse ich mich allerdings von der ersten Intuition treiben, wird ein Foto entstehen, dem ich erst rückwirkend einen Namen geben kann. Welchen Namen also bekommt mein Foto? Heißt es “Häuserfassade mit Auto”? Oder heißt es “Roter Sportwagen vor grauer Wand”?  Oder nenne ich es “Kontraste”? Das Motiv in meinem Beispiel ist sehr markant. Wahrscheinlich wird die Namesgebung mit hoher Trefferquote irgendwas mit dem roten Sportwagen zu tun haben. Mittels Perspektive, Brennweite, Schärfenbereich und Bildausschnitt beeinflusse ich das Foto dahin gehend, sich dem Namen anzunähern, den ich wählte.

Dem Foto einen Namen geben, gibt uns Gewissheit über das tatsächliche Motiv.

Bildname und Hauptmotiv sind in so Situationen oft sehr ähnlich. Der rote Sportwagen ist sicherlich namensprägend und Motiv zugleich. Aber wie sieht das aus, wenn die Situation profaner, unspektakulärer, wenig greifbarer ist? Meine Erkenntnis diesbzüglich ist, dass die Namensgebung immer mehr Bedeutung bekommt, je undeutlicher das ist, was ich fotografieren möchte. Undeutlicher meint aber keinesfalls uninteressanter! Es steht halt nicht immer und überall ein roter Sportwagen. Daher: Je konkreter und zugespitzter es gelingt, einen Namen zu formulieren, um so interessanter werden auch Fotos von Dingen, denen das der erste Blick gar nicht zutraut. Bei meinen weiteren Bildbeispielen habe ich daher eben solche eher profanen Situationen auszuwählen versucht, um zu zeigen, wie Bilder ohne Namen wirken, und wie bildbeeinflussend es ist, sich selbst vorab die Namensgebung zu verdeutlichen. So lassen sich an weniger aufregenden Stellen zumindest fotografisch durchdachtere Fotos machen, und ich behaupte, das sieht man dann auch im Ergebnis.

Namen vergeben vor der Aufnahme

Nehmen wir mal diese folgende Aufnahme, und gehen einfach davon aus, das Foto hätte VOR Aufnahme seinen Namen erhalten. Wie würde der lauten? Ich wette, es erscheinen nun zig Namen mit unterschiedlichster Aussage. “Feld mit Baum drauf”. Oder “Baum auf dem Feld”. Oder “Acker im Herbst”. Oder “Feldrand”. Irgendwie stimmt alles. Aber es ist völlig uneindeutig und austauschbar. Und es ist sichtlich lieblos fotografiert. Einfach der ersten Intuition gefolgt, und drauf gehalten. Dabei hätte was draus werden können. Selbst hier. Wie hätten die Fotos wohl ausgesehen, wenn sie den jeweils genannten Namen nach aufgenommen worden wären?

Foto ohne Namen
Foto ohne Namen

Nochmal aufmerksam machen möchte ich auf meine Behauptung, dass mit abnehmender Spektakularität der Szene die Namensgebung immer bedeutsamer wird. Als Beispiel, was so etwas ausmacht, hier nochmal ein anderes Motiv. Da fällt mein Blick auf einen alten LKW, der vor einer Halle steht. Beides schon leicht morbide, in Summe nicht ganz ohne Charme. Aber WAS wird der Name werden? Oder anders: Worum soll es mir konkret gehen bei der zugespitzten Motivwahl? Ob von hinten mit Baum im Vordergrund aufgenommen, Häuser dahinter, oberhalb bisschen buntes Laub, oder ob schräg von vorne im typischen 0-8-15-Auto-Foto-Blickwinkel… …es wird einfach nicht besser.

Je unaufdringlicher uns eine Situation erscheint, umso effektiver ist die Namensgebung.

Präzisiere ich meine Namensgebung, und spitze die Formulierung zu, könnte der Name lauten “LKW-Oldtimer vor Hallentor”. Alleine das Wörtchen VOR deutet schon auf meine gewählte Priorität hin. Es geht um den LKW. Der ist alt. Und ja, er steht nicht irgendwo, sondern vor einem Hallentor. Aber das darf weniger wichtig erkennbar bleiben. Entgegen anderer Situationen kommt hierbei dem Namen Rechnung tragend ein deutlich anderer Standort zu Hilfe. Es hilft, näher ran zu gehen, und aufs Detail zu schauen. Für die Kernaussage, den Namen, ist die Totale diesmal gar nicht nötig.

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“Klassischer LKW-Oldtimer vor Hallentor”

Noch ein Beispiel. Hier lasse ich aber die halbherzig namenlose Intuitiv-Variante weg, und zeige 2 Fotos, denen ich konkret VORAB ihre Namen gegeben habe. Beide Fotos sind exakt von derselben Position entstanden. Ich habe mich nur einmal aufrecht stehend befunden, und einmal stark in der Hocke befindlich. Benutzt habe ich bei beiden Aufnahmen dasselbe Objektiv. Einzig verändert habe ich die vorgegebene Blende, um dem Bild das zu geben, was der Name verspricht.

“Waldweg mit buntem Herbstlaub”, und “Buntes Herbstlaub am Waldweg”.

Die Namensgebung kanalisiert den Weg zum Hauptmotiv.

Hier nochmal eine Fotoreihe, die den ganzen Prozess dessen wiedergibt, was ich mit Namensgebung meine. Wir gehen spazieren, irgendwie so vor uns hin. Da-der Fotoimpuls! Aber was genau ist es, das anspricht? Was habe ich gesehen, und wie heißt es? Wo im gesamten Blickfeld steckt mein Hauptmotiv? Je genauer ich zu schauen beginne, und je genauer und exakter der Name wird, umso deutlich erscheint plötzlich vor mir das wirkliche Motiv dieser Stelle hier. Es ist das einzelne braune Blatt im Ginster links! Jedes der Fotos hat einen Namen. Das aus der Hüfte geschossene Foto links (“gestellt”, für diese Fotoreihe) bekam seinen Namen erst daheim. “Waldweg”. Langweilig. Das Foto mittig zeigt die Annäherung an Motiv und Name. Rechts ist der ausformulierte, exakte Name und das entsprechend entstandene Foto ohne ablenkende Nebenschauplätze und mit einem dennoch erkennbaren, wenn auch unscharfen Hintergrund, der zur Zuordnung aber noch gut dient.

Was ich total bemerkenswert finde, ist der Unterschied, den es macht, den Namen mal wirklich zu sprechen, statt ihn nur zu denken. Wie oft schon dachte ich, der Name und die Konstruktion des Fotos seien doch klar, und dann gelang es nicht, einen präzisen Namen für das Bild auszuformulieren. In so Momenten schaue ich einfach nochmal länger hin. Und wenn sich gar nichts zusammenfügen lassen mag, ist es vielleicht auch besser, weiterzugehen. Ansonsten kommt wohl nur das heraus, was das Bild links zeigt. Irgendwie ganz nett, und das war´s dann auch.

Den Namen laut auszusprechen zeigt, ob wir ihn überhaupt schon wissen.

Wie richtig spannend manche profanen, langweiligen, und vermeintlich unfotogenen Orte werden, wenn ich versuche, dem, was ich bedeutsam daran machen möchte, einen Namen zu geben, zeigen eventuell folgende drei Fotos. Alle Fotos sind wieder von exakt gleicher Stelle aufgenommen, und ich habe mich bewußt auch nur wenig aus der aufrechten Langeweiler-Knips-Position entfernt. Der Ort ist denkbar öde. Doch gerade einen öden Ort kann man bestmöglichst spannend fotografieren. Dazu sollte man danach suchen, was die Sinne reizt. Ist das gelungen, fehlt nur noch der Name. Dem linken Foto einen guten Namen zu geben, fällt wirklich schwer. Da ist eine Schranke, ein Wendehammer, Häuser, Autos, Garagen, ein paar Mülleimer. Bei den anderen beiden ist das Bild dem Namen gefolgt. Dem Foto mittig gab ich vorab den Namen “Wendhammer hinter Schranke”. Der Schärfenbereich zeigt das auch so. Und das Foto rechts heißt “Schranke vor Wendehammer”. Auch hier ist die Hauptursache der unterschiedlichen Wirkungen nur die vorgegebene Blende in Relation zu dem, was der vorab gegebene Name umzusetzen vorgab.

Mittels Namensgebung lassen sich Fotografien sowohl vorab präzisieren, als auch nachträglich entschlüsseln.

Beim Schreiben und Herstellen dieses Beitrages kam mir die Vermutung, dass für engagierte Fotografierende wohlmöglich nicht viel Neues darin zu finden sein wird. Eigentlich ist das doch klar. Und es stimmt, es gibt ja auch völlig andere Methoden und Tricks, bewußt und konkret zu fotografieren. Für mich hat sich allerdings nochmal einiges verändert, seit ich begonnen habe, den Namen des geplanten Fotos zu erarbeiten und ihn mir in den Bart zu murmeln. Denn dazu muss ich mir im Klaren sein darüber, was genau und exakt mein Motiv sein soll, oder die Bildaussage schlechthin. Das ist einfach was anders, als den Namen bloß zu denken. Außerdem mache ich mir mittlerweile gerne die Freude, mit Blick auf Fotografien anderer Personen den Namen zu entschlüsseln, den das Bild optimaler Weise bekommen sollte. Krass, wie oft mir tatsächlich kein exakter Name einfällt.

Fotos ohne Namen sind wie Bücher ohne Titel.

Den Namen zu konkretisieren, zieht durchaus auch nach sich, die eigene Position bei Bedarf zu konkretisieren. Aus dem normalen, aufrechten Gang blickend, nehme ich etwas wahr, dem ich mich, einen Namen gebend, zunehmend nähere. Und zwar so lange, bis ich mit dem übereinkomme, wie das Foto heißen soll, und dem, was ich sehe und zeigen möchte.

Ich möchte dazu motivieren, diesen Namen nicht nur zu denken, sondern leise vor sich hinzumurmeln. Probiert das einfach mal selbst aus. Was exakt, soll der Name sein? So deutlich, wie ich ihn aufs Hauptmotiv bezogen ausgesprechen werde, so deutlich wird auch das Foto. Ein Motiv kann mehrere Namen haben. Dann werden aber auch mehrere Standorte, Perspektiven und Kameraeinstellungen vonnöten. Denn, um beim Eingangsbeispiel zu bleiben, es kommt eben etwas völlig anderes dabei heraus, wenn ich sage: „Wand mit Auto davor“, oder „Auto vor Wand“.

Menschen entwickeln sich angeblich zu ihrem Namen hin. Fotos in jedem Fall!

Auf den folgenden 3 Fotos sind die gleichen 3 Bildanteile zu finden. Waldweg, Böschung, Pilze. Diesmal habe ich allerdings bewußt die Positionen verändert, und auch mit der vorgegebenen Blende Einfluss genommen darauf, mit dem Foto dem gesetzten Namen zu folgen. Ich finde, die Fotos ähneln sich, und man erkennt dieselbe Stelle auf jedem Foto gut wieder, denn alle drei genannten Bildanteile sind auf jedem der Fotos erhalten geblieben. Aber es fällt deutlich auf, wie bewußt anders die Bildwirkung ist, wenn die Gestaltung einem bestimmten Namen folgt, statt einem “Bauchgefühl”.

Abschließen möchte ich meinen Beitrag mit 2 Fotos, die eine Bank recht dominant zeigen, die aber durch die Namensgebung eine jeweils andere Bedeutung und Wertigkeit bekommt. Die Blickrichtung, die Position, ist bei beiden Aufnahmen recht identisch. Verändert habe ich die Entfernung zur Bank, und die Höhe, aus der ich fotografiert habe. Zusätzlich wurde unterstützend zum vorformulierten Namen der entsprechende Schärfenbereich ausgewählt. Und auch hier war bei beiden Fotografien dasselbe Obektiv im Einsatz.

Eine weitere Variante der Namensgebung bei Fotos betrifft die Situation, wenn der Name nicht die Dinge benennt, die zum Motiv werden, sondern wenn es um die Emotion, um die Stimmung geht, die man darstellen möchte. Das ist allerdings einen eigenen Beitrag wert, und würde hier den Rahmen sprengen.

In der Hoffnung, nun nicht den Eindruck vermittelt zu haben, man müsse zukünftig bei nahezu jedem Foto zwingend vorm Auslösen irgendwelche Namen flüstern, (denn das mache ich auch nicht…) bedanke ich mich gerne für die Aufmerksamkeit. Manchmal sind es die kleinen Impulse, die uns beim Fotografieren nochmal auf einen neuen Pfad lenken, und die in Summe dazu führen, weniger dem Zufall zu überlassen. Ich finde, unter anderem das zeichnet gehobene Fotografie aus: Das Umgehen des Zufalls. Denn alles beginnt mit einem Namen… ;-)

Herzlich grüßend,  Dirk Trampedach

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Dirk Trampedach

Eine Geschichte, ein Bild, eine Stimmung. Erlebnisse, Schreiben und Fotografieren, das hängt für mich unmittelbar zusammen. Foto-Themen, denen ich mich gerne widme, sind Berichte von Touren im VW T3 WESTFALIA, Street Photography, sowie Storys um klassische Automobile und deren Besitzer. Wenn Sie mehr über mich erfahren möchten: www.dt-classics.de.

6 Kommentare

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  • Lieber Dirk,

    mein Kompliment. Du erreichst mit der vorträglichen Namensgebung den Augenmerk festzulegen und Dein Foto entsprechend zu gestalten. Das ist eine tolle Idee und mit der Fujifilm X-T2, X-T3 und X-T4 kannst Du sogar eine Audioaufnahme zum Foto sprechen, in der Du Deine Idee verewigst. Dann kommst Du von dem Ausflug zurück und kannst Dich genau daran erinnern, wie Du das Bild benannt hast (Audio-Datei mit gleicher Bezeichnung wie Foto). Aber das nur am Rande, ein Notizblock funktioniert genauso.
    Jedes Foto, dem wir einen Namen geben können, ist ein Gutes. Ein wunderbarer Artikel und vielen Dank an Dich!

    Herzlich,
    Dein Peter

    • Hallo Peter,

      vielen Dank für deine technische Ergänzungsidee bzgl. Audio-Aufnahme. Für besonders kniffelige Fälle behalte ich mir das mal im Kopf ;-)

      Liebe Grüße, Dirk

  • Hallo Dirk,

    ein sehr schöner Artikel.

    Im Grunde ist die “Namensgebung” ja eher so eine Art gedankliche Prothese, ein Zwang, sich in die bewusste Bildgestaltung zu begeben, sich über das Motiv/Bild gegenüber sich selber oder dem Betrachter auszudrücken, zu kommunizieren, anstatt einfach herumzuknipsen. DAS ist es ja vermutlich, was Du “rüberbringen” wolltest, nehme ich an? Da stimme ich heftig zu!
    Im Grunde bedeutet “Namensgebung” lediglich, daß man ein Motiv erkannt hat und man sich anschickt, es ernst zu nehmen und zu interpretieren. Muss man den Namen bzw die Deutung Dritten mitteilen? In den meisten Fällen wohl nicht.

    Um es anhand Deines ersten Motivbeispiels deutlich zu machen:

    Der Kontrast von grauen, monotonen Reihenhäusern und einem knallroten Sportwagen hätte mich dazu gebracht, mit einem Weitwinkelobjektiv nah an den Wagen heranzugehen, dafür zu sorgen, daß er deutlich größer wirkt als ein in der Unschärfe versinkendes Haus oder eine Häuserreihe und es ironisch “Prioritäten” zu benennen. Aber wenn ich es gut gestalte, versteht (fast) jeder Betrachter, was ich meine und ich kann es daher ohne Titel zeigen. Der Widerspruch zwischen trister Fassade und rausgeputztem Auto muss auch “sprachlos” ins Auge (des Betrachters) springen.

    Ich bin mit Namen für meine Fotos eher zurückhaltend.
    Jedenfalls insoweit, als ich der Meinung bin, daß die allermeisten Fotos sich gegenüber dem Betrachter selber “benennen” müssen, also eine Geschichte erzählen sollten.

    Von Betrachter zu Betrachter kann die Geschichte jedoch sehr unterschiedlich sein.
    Unterschiedliche Geschichten können ALLE “richtig” sein, denn es kommt zunächst eher darauf an, ob man überhaupt etwas im Betrachter erzeugt.

    Im Idealfall ist die “Geschichte” (oder nennen wir es “Name”) des Bildes bei Bildautor und Betrachter identisch bzw. zumindest sehr ähnlich.

    Nehmen wir ein Bild von Elliot Erwitt.

    Er benennt seine Fotos lediglich mit dem ORT, an dem sie entstanden sind. Nur sehr selten gibt es (sehr zurückhaltende) weitere Informationen.

    Seine Fotos sprechen für sich selber – oft genug mit einer großen Prise feinem und subtilem Humor.

    Je abstrakter das Bild wird, umso schwieriger wird es, dem Bild einen sinnvollen Namen zu geben.
    Je mitreissender ein Bild ist, desto unnötiger, ja sogar ablenkender ist eine Namensgebung…

    Die allermeisten historischen Ikonen unter den Fotos haben entweder keinerlei Namen, einen nichtssagenden Namen (siehe Elliot Erwitt) oder sie haben einen Namen, an den sich jedoch Niemand erinnern kann, weil das Bild für sich spricht.

    Allerdings kann ein Name durchaus auch zu einem intensiveren gedanklichen Umgang mit dem Motiv anstoßen: wenn ein Ort, ein historisches Geschehen bspw oder bestimmte Lebensverhältnisse richtig eingeordnet werden sollen, also eher dokumentarische Hintergründe existieren. Profis geben ihren Fotos im Grunde viele Namen, welche jedoch nicht mitgeteilt werden: Klassifizierende, kategorisierende “Namen”, um überhaupt den Überblick zu behalten.

    Ein “Name” für Etwas ist der Beginn einer sprachlichen Kommunikation – die sprachliche Umsetzung einer Empfindung, die sich ganz individuell aus ästhetischen und assoziativen Empfindungen unserer Sinne und unseres Bewusstseins im Kontext unseres gesamten bisherigen menschlichen Erlebens ergeben, mit Priorisierungen, angenehmen und schlimmen Erinnerungen, … sowie dem menschlichen Gestaltungswillen, der ebenso zielgerichtet wie spielerisch-kreativ sein kann – und letztlich der Entscheidung, still zu genießen oder Etwas mit anderen Menschen zu teilen. Also zu kommunizieren.

    Die Frage nach dem Namen ist also der Aufruf, sich bewusst mit dem Motiv zu beschäftigen – und die Namensgebung sollte der Ausdruck sein, daß man sich mit dem Motiv ausreichend (und überzeugend) beschäftigt hat.

    Habe nur mal eben aufgrund des sehr anregenden Artikels ein paar Gedanken dazu niedergeschrieben.

    In diesem Sinne

    Gruß
    DWL

    • Hi DWL,

      Prothese und Zwang klingt zwar bisschen unflauschig, im Grunde geht´s aber in die Richtung, ja. Ich möchte erreichen, alles im Blickfeld so runterzubrechen, damit ich eindeutig weiß, wie, und auf was sich die Bildgestaltung konzentriert/fokussiert. Den Namen müssen Dritte nicht wissen. Ich fotografiere ja auch nicht für Dritte, sondern in erster Linie für mich. Der Name gehört in erster Linie auch mir. Ob Fotos dann in die Öffentlichkeit gelangen oder nicht , ist da wenig ausschlaggebend, und ans Foto setze ich den Namen auch nur dann, wenn er zum Kontext des Beitrags o.ä. wichtig ist.

      Mein Traumfoto bzgl. graue Wand/Sportwagen wäre gewesen, die Häuserzeile mit viel Tiefenschärfe in spitzem Winkel möglichst lang ins Bild zu nehmen, und den Sportwagen unscharf davor zu setzen. Herrlich unvorhersehbar, und Unschärfe hebt skuriler Weise auch gut hervor, wie ich finde.

      Was mir in alledem noch wichtig ist, ist die hohe Intimität, die mit einem Namen einhergeht. Diese Behutsamkeit, vielleicht auch der “Respekt”, den ich gegenüber einem Namen aufbringe, den wollte ich mit Blick auf die Situation des Fotografierens gerne vermitteln. Mich macht diese Methode (die ich längst nicht immer und ständig nutze!) tatsächlich sensibler und aufmerksamer. Und ich nutze sie, so wie du auch schreibst, gerne dann, wenn es abstrakt und auf den ersten Blick diffus, aber spannend ist!

      Dir einen herzlichen Dank für deinen umfänglichen Kommentar, der durchaus auch meine Sicht auf den eigenen Artikel um Wichtiges ergänzt!

      Freundschaftlichen Gruß,

      Dirk

  • Ein wahrlich erleuchtender Artikel, lieber Herr Trampedach. Mit großer Freude, sehr langsam gelesen! Ein großes Kompliment an Sie. Das mit den Worten und den Fotos geht mir auch seit einiger Zeit durch meinen Kopf, aber mal wieder von (mindestens) noch einer anderen Perspektive. Dieses Interesse an Titelvergabe insbesondre deswegen, da ich mich entschlossen hatte, während der gesamten Corona Zeit pro Tag ein Foto, in dieser Zeit aufgenommen, aus meiner Nachbarschaft zu bearbeiten und auf Instagram zu veröffentlichen. (Ich bin ein Amateur und bei Nr. 220 angelangt)

    Also: Ich gehe mit Kamera spazieren, sehe was, fotografiere es -Variationen eingeschlossen- und DANN, beim späteren Bearbeiten besteht die „Selbstverpflichtung“ diesem bearbeiteten Foto einen Titel zu geben, ohne den ich es dann weder sichern noch (meist auf Instagram) veröffentlichen darf. (Na klar, die innere Titelvergabebehörde beim Sichern ist nicht, bei der Veröffentlichung aber, 100% auf Draht). Mit anderen Worten, ich bin im Nachhinein interessiert und fühle mich beinahe verpflichtet zu benennen, weswegen ich etwas aufnahm, es dann bearbeite und hoffe diesem Interesse durch einen (kurzen!) Titel zum Ausdruck zu bringen. Dadurch ist in den letzten Monaten so eine Art „Titelunterhaltung“ entstanden, da mir welche beim Fotografieren und korrigierende oder alternative bei der Veröffentlichung einfallen und ich mich entscheiden muss, bei welchem ich letztendlich bleiben soll. (So ähnlich hat es ja wohl auch DWL gesehen.) Spannend wird die Sache bei mir dadurch, dass ich dies in zwei Sprachen zu machen habe, da die hochgeladenen alle einen englischen Titel erhalten, die (unregelmäßig) an Freunde und Freundinnen versandten aber auf Deutsch sind.

    Ja, das sind dann oft unterschiedliche Bezeichnungen – siehe oben, die „Titelunterhaltung“- die dies Bild-Wort Spannung, auch mit den Betrachter oder der Betrachterin, zum Ausdruck bringen und noch eine Zeitlang aufrecht erhalten. Die kreative Spannung zwischen sehen und denken, auf die Sie so schön in ihrem Beitrag aufmerksam gemacht haben.

    Frank Hirtz

    • Sehr geehrter Herr Hirtz,

      über ihren Kommentar freue ich mich sehr!

      Es ist etwas wirklich Schönes, zu entdecken, wie sich zu einem Thema nach und nach die Facetten öffnen, und sich noch andere Einblicke zeigen in mein eigenes Thema. Es ist interessant zu lesen, aus welcher Perspektive sie zu Fotos und Namen arbeiten. In der Form Anteil dran haben zu dürfen, ist inspirierend und bereichernd. Letztlich bildet sich ja nicht nur erst im Ergebnis fotografischen Tuns eine Handschrift aus, sondern natürlich auch im Schaffensprozess selbst.

      Ihr “Projekt” ist großartig, und ich wünsche ihnen samt Nachbarschaft eine gute Resonanz dazu!

      Herzliche Grüße,

      Dirk Trampedach

Journalist, Fotograf, Fototrainer Peter Roskothen

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