Fotogeschichte: Von Bentota nach Colombo. Mein Foto, das ich Ihnen heute vorstellen möchte, und seine Geschichte dazu, stammt aus 1987. Belichtet habe ich es mit einer CANON A1 samt Tele-Zoom FD 80-200 mm. Die Fotografie ist entstanden während meiner ersten und bislang einzigen Reise nach Asien, genauer gesagt, Sri Lanka.
Inhaltsverzeichnis
Von Bentota nach Colombo
Aus heutiger Sicht war es eine Mischung aus Neugier, Abenteuerlust und Naivität, die dazu führte, nach Sri Lanka zu reisen. Neugier und Abenteuerlust erklären sich ja noch von allein, aber zur Naivität sollten ein paar Dinge gesagt sein. In Sri Lanka herrschte zu der Zeit Krieg. Entstanden aus dem schon lange aufkochenden Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen, befand sich das gesamte Land seit 1983 in einem Bürgerkrieg, der erst nach über 25 Jahren im Mai 2009 enden sollte. Zu allen diesen Umständen lagen mir nahezu keine Kenntnisse vor, und ich muss zugeben, dass es mich damals auch nicht sonderlich interessiert hat. Die Reiseveranstalter waren guter Dinge, und ich daher auch. Dass dem nicht pauschal so war, erklärten später der Umstand einer gesprengten Wartehalle vom Flughafen in Colombo, und die permanenten Sichtungen von Soldaten mit Maschinengewehren, die Reisende ins Innere des Landes kontrollierten. Ganz so weit weg, wie leichtfertig angenommen, war der Krieg durchaus nicht.
Die Fotogeschichte wird von einer Autorin / einem Autoren von *fotowissen erzählt. Es handelt sich um eine interessante Begleitgeschichte zum Foto, eine Erläuterung wie es zu dem Foto kam, warum es fotografiert wurde und möglicherweise auch die Technik hinter der Fotografie.
So eine Fotogeschichte ist eine Anstrengung, von der Sie etwas mitnehmen können, sei es das Technische, das Zwischenmenschliche, die Sichtweise der FotografInnen oder die Interpretation. Vielleicht auch der Spaß an der Geschichte des Fotos. Bitte trauen Sie sich Ihren konstruktiven Kommentar unter den Artikel zu schreiben, denn auch wir können immer dazu lernen und freuen uns auch über Lob und Kritik. Danke.
Reise in Bussen und Zügen
Zu den für mich damals spannendsten Dingen gehörte eindeutig das Reisen in den uralten Bussen und Zügen. Eine davon führte per Zug von Bentota nach Colombo. Auf verbogenen, und teils abenteuerlich schief liegenden Gleisen rumpelte der Zug langsam dahin. Direkt am Zug boten Einheimische Erfrischungen an. Obst, Getränke, oder auch Betelnüsse in Blättern zum Kauen, manchmal auch handgefertigte Dinge für den täglichen Gebrauch oder Erinnerungsstücke hielten sie hoch zu den Fenstern. Währenddessen liefen Kinder mit hochgereckten Händen am stehenden Zug entlang, in der Hoffnung, irgendetwas zu ergattern.
Das Erlebnis dieser knapp 50 Kilometer langen, und über 1,5 Stunden dauernden Fahrt stand eindeutig vor deren Geschwindigkeit. Die zweite und dritte Klasse unterschieden sich damals nur durch das Material der Sitze. Zweite Klasse: Plastik, dritte Klasse: Holz. Ich fuhr Holzklasse. Sie war würziger, man klebte nicht fest an den heißen Sitzen, und überall hatten Generationen von Fahrgästen in Sitzen und Vertäfelungen Initialen und Muster geschnitzt. Die Waggons hatten größtenteils keine Scheiben in den Fensterausschnitten, und wenn doch, waren diese nach unten geschoben. Der Fahrtwind, der bei der mäßigen Geschwindigkeit kaum als Kühlung wirkte, strömte heiß und trocken durch die Waggons. Die Zugreisenden saßen dösend, mit geschlossenen Augen in den Sitzen, oder standen Zigarette rauchend an den Fenstern, den Kopf nach draußen gereckt, um den Qual nach draußen zu blasen, und den Fahrtwind zu erhaschen. Durch die fehlenden Fensterscheiben zogen ständig Gerüche und Geräusche ins Abteil. Salzige Brisen vom nahen Ozean, würzige Aromen von Anpflanzungen und Wäldern, und auch immer wieder einfach nur Staub, der durch die offenen Fenster in die Waggons wehte. Schon zu Beginn der Fahrt am Bahnsteig von Bentota wurde klar, dass es in stoischer Gemächlichkeit vor sich gehen würde. Züge in Sri Lanka fahren in etwa so zuverlässig pünktlich, wie zurzeit bei uns. Es hieß also, geduldig zu warten. Und so holte ich meine Kamera hervor, und nahm einige Motive auf, die sich mir dort zeigten. Über dem Gleis und dem Bahnsteig flimmerte die heiße Luft.
Fotografie in Sri Lanka
Und während ich am Bahnsteig stand, saßen andere Reisende irgendwo in den wenigen schattigen Ecken, oder schützten sich mit Schirmen vor der heiß brennenden Sonne. So auch eine Dame. Oder besser gesagt, so auch diese Dame! Mir fiel sie auf, weil ihre ganze Erscheinung edel wirkte. So war zumindest mein Eindruck. Mir schien, als wäre sie aus der Großstadt, wahrscheinlich aus Colombo hierhergefahren, und warte auf den Zug zurück. Als ganz große Szene eines langen Tages hatte ich diese wenigen Minuten vor Augen und habe zum Glück ein Foto davon gemacht. Die entstandene Fotografie zählt zu meinen Lieblingsfotos dieser Reise. Und auch, wenn es aus heutiger Sicht nicht so scharf ist, wie ich das gerne hätte, bedeutet es mir viel, genau so, wie es ist. Es verkörpert die Fotografie der 80er, den Zahn der Zeit, der an so alten Dias nagt, und nach wie vor alles das, was ich an diese Zeit in Erinnerung habe.
Mich prägt diese Reise mit ihren Erlebnissen bis heute. Sie steht stellvertretend für eine Art von Unterwegssein, wie ich es danach nicht wieder gemacht habe. Hoch touristisch, eher konsumierend, mit weniger Zugang zum Leben vor Ort, als ich mir heute vorstellen kann. Der Prozess, Reisen anders zu gestalten, weiterzuentwickeln, hält bis heute an, und diese Fotografie der Frau am Bahnsteig in Bentota ist so etwas wie ein Schlüsselmoment. Er hat was in Gang gesetzt. Meine Reisen betreffend, aber vor allem meine Fotografie und mich betreffend.
Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, wie auch für das Interesse an unseren „Fotogeschichten“, die hier monatlich erscheinen!
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Dirk Trampedach
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© Dirk Trampedach, Journalist für Fotografie bei *fotowissen – Fotogeschichte von Bentota nach Colombo
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Lieber Herr Trampedach, das ist eine schöne Geschichte, danke dafür. Bei der Lektüre kamen wieder Erinnerungen an meine eigene Sri-Lanka-Reise 2018 hoch, auf der ich auch eine würdevolle alte, weißgekleidete Dame in einem Tempel fotografiert habe. Um Ihre Zugfahrt beneide ich Sie ein bisschen, bei uns hat das leider nicht geklappt. Sie haben die Atmosphäre, so wie ich sie mir vorstelle, schön beschrieben. Vielleicht interessiert es Sie: Der große Eisenbahnfan Paul Theroux ist ein paar Jahre vor Ihnen u.a. auch in Sri Lanka Zug gefahren („Basar auf Schienen“, engl. „The Great Railway Basar“), und dann noch einmal 2008 („Ghost train to the Eastern Star“). Dabei ist er auch auf „Ihrer“ Strecke gefahren (Colombo/Galle). Danke nochmals, herzlich, Detlef Rehn
Lieber Herr Rehn,
über ihre nette Rückmeldung freue ich mich sehr, und bedanken möchte ich mich für die feinen Tipps bzgl. Paul Theroux! In meinem Fall habe ich gerade von dieser Zugfahrt nach Colombo etliche Fotos, die ich hier nicht reinpacken wollte, die aber fast schon einen eigenen Artikel wert wären.
Es gibt auch noch eine ganz wunderbare Bahnstrecke nach Kandy. Wir sind dorthin damals allerdings in einem vorsintflutlichen Bus von British Leyland gefahren, der in den 80er Jahren schon museumsreif war, auch das war ein Abenteuer für sich… ;-)
Herzlich, Dirk Trampedach
Lieber Dirk,
vielen Dank für deine wieder einmal tollen Zeilen. Insbesondere, da meine Frau und ich dieses Jahr die cornabedingte, seit drei Jahren, immer wieder verschobene Tour durch Sri Lanka nachholen können. Wetterbedingt zentral- und süd-west Sari Lanka.
Bzgl. der alten Bilder liebe ich es immer wieder, sie dem heute gegenüberzustellen. Was haben wir uns damals einen besseren Dynamikumfang gewünscht (insbesondere bei Dias) Kameras mit Autofokus, Filme mit mehr als 36 Aufnahmen (heute Speicherkarten), feineres Korn (Rauschen) bei hohen Iso-Werten, lichtstärkere Objektive etc. … Jetzt haben wir dies alles. Und es stellt sich die Frage, sind wir heute mit unserer Fotografie glücklicher als damals? Mit dieser Frage im Kopf las ich anschließend den Bericht von Peter zum abermaligen Fujisummit.
Du siehst, dein Reisebericht hat mich auf eine völlig unerwartete Reise geschickt. Hierfür möchte ich dir herzlich danken.
Liebe Grüße,
Bernhard
Hallo Bernhard, danke dafür!
Zu eurer Reise drücke ich die Daumen und wünsche alles Gute. Auf deine Schilderungen und Fotos freue ich mich jetzt schon, vieles wird anderes sein seit 1987, und manches hoffentlich nicht ;-)
Liebe Grüße, Dirk
Lieber Dirk,
dein Beitrag hat mir sehr gefallen. Erstens ist die Beschreibung so, dass ich sich sehr gut hinein fühlen kann und zweitens hast du mich damit in eine meiner Reisen zurückgeschickt. Ich war zweimal beruflich in Nepal, konnte dabei aber auch größere Abschnitte zu Fuß bewältigen und habe das Land und die Menschen sozusagen aus der direkten Nähe erlebt. Natürlich waren auch abenteuerliche, von meiner Seite nicht ganz angstfreie Busfahrten dabei. In den Bussen waren mindestens so viele Ziegen und Hühner wie Menschen unterwegs und an die Gerüche kann ich mich heute noch gut erinnern. Ich hatte aus Gewichtsgründen eine kleine Canon Ixus dabei und viel geknipst. Dein Artikel hat mich animiert, die aufbewahrte SD Karte demnächst nochmal zu sichten. Vielen Dank dafür. Bin gespannt darauf wie ich die Bilder heute sehe. Inzwischen habe ich viele große Reisen gemacht und es stimmt was du sagst. Diese Erlebnisse klingen ein Leben lang nach und man kommt immer ein wenig verändert zurück.
Danke für diesen schönen Artikel.
Michael
Guten Morgen, Michael,
ja die Busfahrten waren schon sehr speziell. Ist zwar ne Ewigkeit her, aber ich kann mich erinnern, dass abgesehen der übervollen Sitzplätze mindestens nochmal so viele Leute stehend, und sich an Deckenschlaufen haltend, im Gang des Busses befanden. Und manche Leute hingen außerhalb an Halterungen und Gepäckaufnahmen. Wirklich würzig waren die Gerüche. Da war alles erdenkliche dabei ;-)
Es freut mich, dich mit dem Artikel motivieren zu können, nochmal die alten Archive durchzustöbern. Im Sinne unseres Credos, „Lasst die Fotos frei“, wird sich bestimmt was finden lassen. Vielleicht magst du ja was präsentieren davon.
Herzliche Grüße, Dirk
Ein wunderschönes Bild aus einer anderen Zeit.
Es zeigt wundervoll beispielhaft, wie die Photographie zu einer lebenslangen, vertrauten, emotionalen Begleiterin wird, für jeden „ Fotografen“, für den sie in allen Lebensabschnitten eine treue Partnerin ist.
Auch wenn ich sicher niemals Fotokunst erschaffen habe, ist dieses, von Vater übernommene Lieblinghobby,voller Erinnerungen.
Die Veränderungen der Technik sind da nur ein interessanter bis teilweise trauriger Nebeneffekt, weil hi und da doch das Handwerk als Teil der entschleunigten Bildfreude ein wenig in den Hintergrund tritt.
Deshalb herzlichen Dank für Ihre immer lesenswerte Kolumne.
Lieber Herr Weber,
das trifft es ziemlich gut! Lebenslang, vertraut und emotional sind Attribute, die es wunderbar umschreiben. Zur Kunst möchte ich sagen, dass ich schon denke, dass die eigene Fotografie viel mehr mit Kunst zu tun haben mag, als man meint. Sobald wir beim Fotografieren nicht zwingend der tatsächlichen Wirklichkeit hinterherarbeiten, sondern das, was wir sehen, mittels der eigenen Fotografie interpretieren, würde ich das als Form von Kunst ansehen.
Für ihren Kommentar danke ich Ihnen sehr!
Herzlich, Dirk Trampedach