Was ist ein IBIS (engl.: In Body Image Stabilization) und was kann er in einer Kamera wie der EOS R5 bewirken? Ich möchte den IBIS am Beispiel der Canon EOS R5 untersuchen. Im großen *fotowissen Test IBIS Canon EOS R5 geht es darum, herauszufinden, ob die Angaben des Herstellers bezüglich der Wirksamkeit des IBIS stimmen. Kann die Canon EOS R5 tatsächlich mit bestimmten Objektiven bis zu 8 EV längere Verschlusszeiten aus der Hand garantieren? Im *fotowissen-Test lesen Sie die Wahrheit über den IBIS der R5:
Mit dem IBIS werden beim Fotografieren längere Belichtungszeiten aus der Hand möglich.
Inhaltsverzeichnis
Was ist ein IBIS?
Der IBIS – In-body image stabilization – ist eine bewegliche Aufhängung des Sensors im Kameragehäuse. Eine Elektronik im Gehäuse sorgt dafür, dass das Zittern des Kameranutzers registriert wird. Mit dem IBIS wird der Sensor entgegen dem Zittern geführt. So liegt der Sensor ruhig im Gehäuse. Längere Belichtungszeiten aus der Hand sind möglich.

Test Canon EOS R5 IBIS
Der IBIS ist eine technische Revolution. Keine der bisherigen Canon-EOS-Kameras hatte den Sensor stabilisiert. Für Videographen und Fotografen ist diese kamerainterne Stabilisierung ein Segen, denn damit sinken in bestimmten Aufnahmesituationen die ISO-Werte und wir können mit längeren Belichtungszeiten aus der Hand fotografieren. Von Sony und anderen Marken waren wir diesen IBIS schon gewohnt. Für Canon war der Schritt eine wichtige Entwicklung in der EOS R5.

Fujifilm hat es vorgemacht. Auch in einer sehr aufwändigen Mittelformatkamera wie der GFX 100, ist es seit 2019 möglich aus der Hand knackscharfe Bilder zu belichten. Die Regel der vergangen Tage für verwacklungsfreie Fotos OHNE IBIS war:
Regel #1: Verwacklungsfreie Verschlusszeit = 1 / Brennweite in Sekunden
Das bedeutet, dass wir Fotografen mit einer Vollformatkamera (ohne IBIS oder OIS) mit einem 50mm Objektiv bei 1/50 s und ruhiger Haltung noch sicher sein können, dass die Aufnahme scharf wird. Kleinere Verwacklungen werden Sie übrigens niemals auf dem Display einer Kamera sehen, ohne dass sie in eine extreme Vergrößerung gehen. Erst am Monitor werden diese Verwacklungen meist bei einer 100 % Ansicht klar.
Zwei Arten der Stabilisierung
Es existieren zwei Arten der Stabilisierung. Das OIS ist einer optische Lösung, bei der eine Linse im Objektiv beweglich gelagert ist und das Zittern des Fotografen ausgleicht. Der IBIS hingegen ist in der Kamera intern untergebracht und stabilisiert den Sensor in fünf Achsen. Canon hat es jetzt fertig gebracht bei der EOS R5 diese beiden Systeme zu kombinieren, um weitaus bessere Stabilisierung möglich zu machen. Das Verfahren ist sehr aufwendig und die meisten Kamerahersteller stabilisieren auch bei einem OIS ausschließlich mit dem IBIS.
Schnellere Verschlusszeiten für größere Auflösungen
Die Canon EOS R5 gehört zu den hochauflösenden Kameras, da sie 45 Megapixel belichtet. Mit diesen Kameras ist aus der Hand nicht zu spaßen. Ohne ein Stabilisator sollte man eher mit 1/100 Sekunde fotografieren, nutzt man ein 50 mm Objektiv. Hier wäre die Regel eher:
Regel #2 für hochauflösende Kameras: Verwacklungsfreie Verschlusszeit = 1 / 2 * Brennweite in Sekunden
So habe ich mit einer EOS 5DsR oder mit einer Fujifilm GFX 50S, die beide mit 50 Megapixeln belichten, entweder ein Stativ dabei, oder fotografiere mit der hälftigen Belichtungszeit, die bei der zweiten Regel herauskommt. Fotografiere ich mit einem 50 mm Objektiv, so verwende ich also lieber 1/100 s Verschlusszeit für knackscharfe Bilder aus der Hand. Hier kommt der IBIS der EOS R5 gerade recht. Canon verspricht bis zu acht EV längere Belichtungszeiten aus der Hand. Bei dem großen *fotowissen Test gehen wir Fairness halber von der zweiten Regel aus, die kürzere Belichtungszeiten errechnet für hochauflösenden Sensoren wie die EOS R5.
Test IBIS R5
Wie effektiv ist der IBIS der Canon EOS R5 also wirklich? Ich habe es mit zwei Objektiven getestet:
- RF 70-200 mm F2.8 L IS USM Objektiv, welches mit bis zu 7.5 EV besseren Belichtungszeiten von Canon angegeben wird. Testbrennweite 200mm und 70mm
- EF 100mm F/2.8 L Makro IS USM (Adapter)
Ich habe dazu ein Schild an einer Wand freihändig fotografiert. Die Kamera ist fest am Kopf, ich nutze den Sucher und habe beide Arme am Körper zur Stabilisierung. Meine Atmung ist ruhig und ich fotografiere im Abstand von Sekunden jeweils drei Fotos mit den entsprechend länger werdenden Verschlusszeiten. Beim RF 70-200 mm und 200 mm eingestellter Brennweite, begann ich bei einer 1/200 Sekunde und verlängerte die Zeit immer um das Doppelte:
- 1/400 s
- 1/200 s -1 EV
- 1/100 s – 2 EV
- 1/50 s – 3 EV
- 1/25 s – 4 EV
- 1/13 s – 5 EV
- 1/6 s – 6 EV
- 1/3 s – 7 EV
- 1/2 s – 7.5 EV
Dabei kommt heraus, dass Canon übertrieben hat. Die Aufnahmen sind bis zu 4 EV (Regel #1 – 4 EV) aus der Hand scharf, dabei sind bereits eine der drei Aufnahmen mit 1/25 s unscharf. Bei 5 EV (1/13s) sind bereits zwei von drei Fotos unscharf. Aus sechs Aufnahmen bei 1/6 s und allen längeren Belichtungszeiten erscheinen keine der Aufnahmen mehr scharf:
Der IBIS der Canon EOS R5 schafft 4 EV aus der Hand.
Auch über die Schärfe der Aufnahmen, die ich als scharf empfinde, könnten wir trefflich streiten. Ich empfehle von sensiblen Motiven einfach mehrere Aufnahmen aus der Hand zu belichten und die schärfste zu behalten. In der Regel sind Aufnahmen vom Stativ immer die besseren Fotos, aber natürlich gibt es viele Momente in denen Stative nicht möglich sind. Als professioneller Landschaftsfotograf und Architekturfotograf nehme ich vorzugsweise ein Stativ mit.
Auch mit der EOS R5 würde ich ein Stativ für Landschaftsfotos / Architekturfotos mitnehmen. Falls Sie kein Stativ mitnehmen, ist der IBIS eine große Hilfe für Aufnahmen aus der Hand.
Viele weitere Aufnahmen mit 70mm Brennweite des gleichen Objektivs und mit dem EF 100mm F/2.8 L Makro IS USM (Adapter) bestätigten diese Regel der maximalen 4 EV Unterstützung beim Test IBIS Canon EOS R5. Das EF 100 mm ist bis zu einschließlich 1/25 s zu nutzen. Bei 1/13 s sind nur noch vereinzelte Aufnahmen scharf. 4EV sind auch hier das Maximum (1/ 200 s Startzeit). Aber auch das ist ein gutes Ergebnis aus der Hand. Jedoch entspricht keines der Ergebnisse der Angabe des Herstellers.
Fazit Test IBIS Canon EOS R5
Hat Canon übertrieben? Ja, das Unternehmen hat mit dem Marketing von bis zu 8 EV Stabilisierung laut meinem Test übertrieben, aber der IBIS der Canon EOS R5 ist sehr gut. Im Vergleich arbeitet der IBIS von Olympus noch einen Tick besser.
Der IBIS der Canon EOS R5 ist eine gute Idee für Fotografen, die sonst sehr viele schnellere Belichtungszeiten aus der Hand verwenden müssten. Somit hilft der Canon EOS R5 IBIS bei der besseren Bildqualität bestimmter Fotografien durch niedrigere ISO. Für den Videodreh ist eine Canon EOS R5 sicher nicht entworfen worden, aber wer damit drehen will, möchte vermutlich einen Gimbal verwenden.
Tipp: Verwenden Sie die Canon EOS R5 mit bis zu 2 EV längeren Belichtungszeiten aus der Hand (Grundregel EOS R5 – Verwacklungsfreie Verschlusszeit = 4 / Brennweite in Sekunden)
© Peter Roskothen ist Profi-Fotograf, Fototrainer, Fotojournalist – Test IBIS Canon EOS R5
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>Hat Canon übertrieben?
Vermutlich hat Canon NICHT übertrieben. Canon hat nach einem spezifiziertem Standard (CIPA, http://www.cipa.jp/image-stabilization/index_e.html) getestet. Äpfel muss man mit Äpfeln vergleichen, nicht mit Birnen.
Ob der CIPA-Standard praxisrelevant ist, ist eine andere Frage. Darüber kann man durchaus streiten.
BTW: ich denke, dass die alte Regel 1/Brennweite in Sek. für hochauflösende Kameras schon lange nicht mehr zutrifft. Für maximale Schärfe sind eher 2 Verschlusszeiten schneller geeignet.
Hallo Manfred,
danke für den vermutlich korrekten Hinweis auf die CIPA. Es kann sein, dass CIPA übertreibt, aber da sind wir beim nächsten Abgasskandal. Meine Tests sind praxisnah und echt und ich möchte alle Fotografen darüber aufklären, dass das Marketingversprechen nicht relevant ist. Ich vergleiche keine Äpfel mit Birnen, sondern Marketingsversprechen mit der Realität. Genauso wie beim Verbrauch von Autos, dürfen wir uns als Fotografen nicht von theoretischen Werten verwirren lassen, die kein Fotograf aus der Hand erreicht. Ich hoffe Ihnen und allen Fotografen auf diese Art einen Gefallen zu tun.
Die alte Regel habe ich ausführlich besprochen und tatsächlich gibt es in manchen hochauflösenden Kameras wie zum Beispiel der 5DsR und EOS R5 eine Einstellung in der Automatik, die schnellere Verschlusszeiten berücksichtigt.
Herzlich,
Ihr Peter
Hallo Herr Roskothen, Ihr Testbericht zur CANON R5 hat mich überzeugt. Der Sucher ist weitaus klarer als in der SONY A7 R IV. Ich werde also wechseln.
Hallo. War bei den Tests das IS der Objektive auch an, oder aus? Ich denke, die Aussage von Canon bezieht den IOS von Objektiven mit ein.
Die Berechnung im letzten Tipp ist falsch: 4 EV entspricht einem Faktor von 2 hoch 4 = 16. D. h. die Formel darf nicht 4/Brennweite, sondern 16/Brennweite lauten (oder 8/Brennweite, wenn der „Sicherheitsfaktor für hochauflösende Kameras“ eingerechnet wird).
Hallo Jan,
vielen Dank an Sie! Dann müsste es wohl heißen:
„Tipp: Verwenden Sie die Canon EOS R5 mit bis zu 2 EV längeren Belichtungszeiten aus der Hand (Grundregel EOS R5 – Verwacklungsfreie Verschlusszeit = 4 / Brennweite in Sekunden).“
Korrekt? Längere Belichtungszeiten wären nach meinem Test nicht sicher.
Herzlich,
Peter R.