Bei der Street Photographie „aus der Hüfte schießen“ bedeutet, die Kamera einhändig auf der Höhe zwischen Brustkorb und Hüfte zu halten, und ohne Einblick auf Sucher oder Display ein Foto zu belichten. Mit diesem Artikel, liebe Fotobegeisterte, möchte ich beschreiben, was es auf sich hat mit „Aus der Hüfte auslösen“. Sie finden beschrieben, zu welchen Anlässen und unter welchen Bedingungen sich diese Auslösetechnik anbietet. Außerdem erfahren Sie meine Meinung und Erfahrungen dazu, welche Arten von Kameras sich dazu eignen, und wie sinnvolle Konfigurationen / Einstellungen aussehen können. Anhand von eigenen Fotos zeige ich Foto-Beispiele, wie erfolgreich oder weniger erfolgreich das „Fotografieren aus der Hüfte“ sein kann.
Inhaltsverzeichnis
Street Photography – „Aus der Hüfte schießen“
Anlässe, um „aus der Hüfte“ auszulösen
Anlässe, um aus der Hüfte auszulösen, sind schlicht und ergreifend dann gegeben, wenn alle anderen Varianten ausscheiden. Dazu ist es nötig, die Sensibilität für jene Augenblicke zu entwickeln, in denen die übliche Handhabe der Kamera die anvisierte Szene stört, ablehnende Reaktionen provoziert oder die offensichtliche Verwendung einer Kamera auch für uns selbst unkomfortable Auswirkungen nach sich ziehen kann. Ein paar Beispiele, die dazu passen könnten, führe ich gerne auf:
- Wir gehen Einzelpersonen, Gruppen oder größeren Menschenmengen entgegen und möchten (unauffällig ohne Kamera vor dem Auge) irgendeinen speziellen Moment davon einfangen.
- Bestimmte Geschehnisse einer Situation, die wir beobachten, werden gestört/beendet, wenn wir offensichtlich zu fotografieren beginnen.
- Wir befinden uns dort, wo Fotografieren wenig toleriert wird, ungerne gesehen oder „eigentlich“ verboten ist. Entscheiden wir uns dort dennoch für kreativen Ungehorsam, ist „aus der Hüfte auslösen“ oft die einzige Option.
Die folgenden Fotos sind in Situationen entstanden, wo Fotografieren stehend, ohne Kamera vor dem Auge unmöglich gewesen wäre:
Die Dame im Foto (004) telefonierte seelenruhig weiter, die Hunde wurden nicht durch einen stehenden, auffällig fokussierenden Fotografen irritiert.
Der Mann mit Kaffeebecher (003) hatte „doppelt Pech“. Ich hatte mir diese Stelle á la Methode Fischer schön vorbereitet. Denn erstens bin ich ihm schlendernd entgegengegangen, zweitens habe ich ihn bewusst der Sonne entgegengehen lassen. Für eine fast schon leichte Fotoaufgabe.
Das Foto oben (005) ist mit 16er-Weitwinkel (APS-C) gemacht. Schön weit von unten, und später etwas beschnitten, konnte sich der Mann völlig unabgelenkt die Zigarette ins Ohr stecken.
Zu dem obigen Foto (001) haben mich die Farben zum Fotografieren animiert. Ohne selbst in Bewegung zu sein, wäre diese Szene so nicht einzufangen gewesen.
Diese Liste an Möglichkeiten, für Kreativität und Fantasie der Hüft-Fotografie lässt sich endlos fortführen. Denn Anlässe, aus der Hüfte zu fotografieren, gibt es deutlich mehr, als man meint. Es steht und fällt natürlich damit, solche Momente überhaupt erst als lohnende Motive wahrzunehmen. Und vor allem dürfen wir uns gerade für solche Vorgehensweise auch mal dem Zufall aussetzen! Die tollsten Dinge können eintreten, oder anschließend völlig anders ausgehen, als gedacht. Warum denn nicht – auch so etwas darf sein! Wenn uns dies alles gelingt und Freude macht, ist es von Vorteil, die Technik der Hüft-Fotografie zu beherrschen.
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Es gibt aber auch noch einen anderen Grund, der dafür spricht, Fotos öfter aus Hüfthöhe zu belichten. Und zwar aufgrund der sehr besonderen Perspektive, und der daraus resultierenden Bildwirkung. Nun könnte man argumentieren, dass es für solche Fälle reicht, sich schlicht hinzuhocken und in aller Ruhe das Foto zu machen. Doch das stimmt nur bedingt. Denn aus der Hüfte heraus geschieht immer ohne unmittelbare Bildkontrolle, und wird auch nahezu immer in Bewegung gemacht. Was dabei an Fotos entsteht, lässt sich kontrolliert gar nicht anfertigen. Wir erhalten Fotos mit völlig ungeplanten, teils spannenden Schärfeverläufen, mit skurrilen Bildausschnitten, und aus ebendiesen tiefen Perspektiven heraus. Zudem entsteht oftmals eine besondere Stimmung dadurch, dass wir uns selbst in Bewegung befunden haben.
Beim folgenden Beispiel handelt es sich streng genommen um einen missglückten Versuch. Ich hatte vergessen, auf manuellen Fokus umzustellen, und der Autofokus fand die Alarmeinrichtung an der Hauswand spannender als die cool rauchende Frau. Mich hat das Ergebnis gefreut, es zählt zu einer Reihe Fotos, die ich sehr gelungen finde und mag.
Mit welcher Kamera und Brennweite aus der Hüfte auslösen?
Mit der Wahl der Kamera, die wir ohnehin nutzen, haben wir uns bestenfalls längst „pro Streetfotografie“ entschieden. Jede Kamera, die von ihrer Technik und dem Handling Street-tauglich ist, wird auch für die Fotografien aus der Hüfte heraus brauchbar sein. Bei Digitalkameras könnte es uns helfen, ein Display vorzufinden, das, 90 Grad abgeklappt, den Blick von oben zulässt. Es rettet uns aber nicht, da es für einen Blick darauf selten reicht. Außerdem muss es möglich sein, die Kamera in Hüfthöhe sicher einhändig zu halten und gut kontrolliert per Daumen auszulösen. Denn mit Zeigefinger am Auslöser kommen wir mit abgewinkelter Hand nicht weit genug runter. Als ultimative Sicherung ist zudem eine Kamerahandschlaufe unerlässlich.
Hilfreiche Kameratechnik für Street Photography:
- Klappdisplay.
- Liegt gut in der Hand vor dem Bauch.
- Kameraschlaufe.
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Zur Brennweite möchte ich aus meiner Erfahrung heraus empfehlen, ganz speziell für aus-der-Hüfte-Fotografie eher ein moderates Weitwinkelobjektiv zu nutzen. Mit Brennweiten, die über die Standardgröße 50mm (Kleinbild) hinausgehen, wird die Anwendung über Maß schwierig. Und wählen wir ein Objektiv mit starkem Weitwinkel, geraten die Linien und Ebenen im Foto außerordentlich in Schräglage und verzerren die Komposition erheblich. Für formatfüllende Ergebnisse müssen wir obendrein sehr nah ran. Zur groben Orientierung im gewünschten Bildausschnitt ist daher ein entscheidender Vorteil, Routine darin zu entwickeln, was sich bei unserem verwendeten Objektiv an Bildausschnitt und Perspektive ergibt. Im Kleinbildformat wären gut nutzbare Brennweiten, die von etwa 30-50mm, und beispielsweise bei APS-C Sensor ab 18-20mm aufwärts bis ca. 35mm. Darüber oder darunter wird es kompliziert.
Besondere Kameraeinstellungen
An Kameraeinstellungen nehmen wir vorzugsweise solche vor, die in möglichst vielen Lichtsituationen und Entfernungen (Fokussierbereichen) funktionieren. Die Auto-Fokus-Funktion scheidet aus, da sich kaum mehr überprüfen lässt, ob das Auto-Fokus-Feld dort ist, wo wir es gebrauchen können.
Für manuell eingestellte Schärfe über große Bereiche des Motivs hinweg benötigen wir allerdings eine deutliche Abblendung. Wenn ich so unterwegs bin, wähle ich gerne Blende 8. Dazu den Schärfebereich entweder von ca. 2m-10m oder von ca. 5m-unendlich. Je nachdem, in welchen Bereichen ich meine Motive erwarte.
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Mit dieser Konfiguration kommen wir nahezu immer klar. Suboptimal wird es allerdings bei sehr wenig Licht oder Dunkelheit. Für solche Zeiten ist Blende 8 schon schwierig. Stellen Sie sich vor, mit einem Objektiv loszuziehen, das eine Anfangsblende von 8 hätte. Da geht bei diffusem Licht und Dunkelheit ohne Stativ oder galaktisch hohe ISO-Werte kaum noch etwas. Für unsere Hüft-Fotografie benötigen wir also eine nicht zu dunkle Umgebung, eine eher geschlossene Blende, einen manuell eingestellten Entfernungsbereich nach Wunsch und eine Verschlusszeit, die, aus der Hand und Hüfte ausgelöst, Verwackler ausschließt bzw. minimiert. Herausreißen wird uns bei widrigen Lichtverhältnissen tatsächlich nur die hochgezogene (Auto-)ISO oder, falls vorhanden, der in Objektiv und/oder Kamera verbaute Bildstabilisator.
Die Trefferquote beim Auslösen aus der Hüfte ist im Verhältnis zu kontrollierteren Auslöse-Situationen sehr gering. Zum Auslösen selbst sei daher gesagt, dass wir entweder mutig genug sind, es bei einem einzigen Auslöseversuch zu belassen. Oder aber, wir lösen in frei gewählten Abständen mehrmals hintereinander aus. Die dritte Option ist der Serienbild-Modus, falls vorhanden.
Bonus-Tipp: „Links blinken, rechts fahren“
Als kleinen Bonus-Tipp auf dem Weg zur erfolgreichen Fotografie aus der Hüfte könnte der „Links blinken-rechts fahren“-Tipp herhalten. Er ist körperlich weniger aufwendig und kompliziert, als aus der Hüfte, und ist zudem prädestiniert für Momente, in denen wir keinesfalls auffallen wollen, und wir uns zudem nicht bewegen wollen oder können.
Hängen Sie sich ihre Kamera mittels Gurt um den Hals oder über eine Schulter, und kürzen diesen so, dass die Kamera nicht auf der Hüfte, sondern im mittleren Bauchbereich hängt. Legen Sie die Hand lässig ans Gehäuse, und den Daumen auf den Auslöser. Peilen Sie mit der Kamera stark seitlich von Ihnen (am leichtesten geht es links!) ihr Wunsch-Motiv, ihre Wunsch-Situation an. Kamera stillhalten, mit dem Kopf ganz woanders auf die rechte Seite schauen, am besten noch auffällig nach oben, und los geht’s!
Diese Vorgehensweise bietet sich als reine Tarnung für den Auslösemoment prima an, ist darüber hinaus aber auch als Zwischenstufe auf dem Weg zum Auslösen aus der Hüfte eine prima Übung. Wer bislang weder die eine noch die andere Variante angewandt hat, für den ist für den Anfang stehend agierend diese Methode leichter zu nutzen. „Aus der Hüfte heraus“ darf dann Stufe 2 sein.
Fazit
Wenn die im Artikel beschriebenen Situationen denen entsprechen, die Ihnen während Ihrer Streifgänge durch die Straßen begegnen, und Sie bislang nicht sicher waren, wie man diese aufs Bild bekommt, könnte „aus der Hüfte auslösen“ etwas sein, das Sie weiterbringt. Übrigens steckt in dieser Art der Street-Photography ein doppelt positiver Effekt. Wir halten Augenblicke fest, die uns sonst zu fotografieren schwergefallen sind. Und zweitens ist es unverfänglicher. Für alle unter uns, die sich weniger mutig fühlen, oder deren Wohlfühlabstand beim Fotografieren von Menschen eigentlich größer ausfällt, ist „links blinken-rechts fahren“ oder eben „aus der Hüfte“ ein guter Trick gegen die eigene Beklemmnis. Entlassen möchte ich Sie, wenn Sie ohne Vorerfahrung zu diesen Methoden sind, gerne mit einer kleinen Aufgabe:
Machen Sie ihre Kamera startklar und stellen alles wie beschrieben ein. Nun begeben Sie sich bitte in eine wenig belebte Straße, gehen sie diese entlang, suchen sich (während Sie gehen) für den Anfang nur feststehende Motive aus, und probieren, diese im Vorbeigehen (ohne langsamer zu werden) aus der Hüfte zu fotografieren. Sie werden anhand hoher Ausschusszahlen schnell feststellen, wo ihre ganz persönlichen Hürden liegen, und mit welchen Optimierungen des Prozesses Sie diese überwinden werden. Stufe zwei wäre dann dieselbe Übung. Statt feststehender Objekte kommen jetzt die Menschen ins Spiel. Die Option, außer „aus der Hüfte“ auch noch erst einmal „links zu blinken, und rechts zu fahren“, haben Sie ja als gemäßigten Start in diese Methoden ja indessen auch noch im Repertoire.
Viel Freude und gutes Gelingen wünsche ich Ihnen, und bedanke mich für ihr Interesse am Thema!
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Dirk Trampedach
© Dirk Trampedach, Journalist für Fotografie bei *fotowissen – Street Photography – „Aus der Hüfte schießen“
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