Der Rolling Shutter Effekt: Erklärung, Effekte und Lösungen: Keiner möchte gerne verzerrte Fotos vom Sport oder von Tieren in Bewegung. Doch was ist der Rolling-Shutter-Effekt überhaupt und wie können wir ihn vermeiden?
Inhaltsverzeichnis
Rolling Shutter versus Global Shutter
Der Rolling Shutter beschreibt die Methode, wie Bildsensoren das Foto auslesen. Im Gegensatz zum Global Shutter, bei dem alle Pixel fast gleichzeitig ausgelesen werden, erfolgt bei einem Rolling Shutter das Auslesen zeilenweise nacheinander. Dies kann bei schnell bewegten Motiven oder Kameraschwenks sichtbare Verzerrungen in Form des Rolling Shutter Effekt verursachen.
Funktion Rolling Shutter
Der Sensor einer Kamera erfasst das Bild in einer Art “Abtastbewegung” von unten nach oben (oder umgekehrt). Dadurch werden nicht alle Teile des Bildes gleichzeitig gespeichert, sondern sequenziell in schneller Folge.
Das sequenzielle Auslesen erfolgt recht langsam, je nach Sensor sehr unterschiedlich, aber im Bereich von 1/50 bis 1/20s, also erheblich langsamer als die ebenfalls sequenzielle Belichtung durch einen mechanischen Schlitzverschluss (bei dem dieser Effekt jedoch auch auftreten kann).
Bei schnellen Bewegungen kann mit dieser Art des langsamen Auslesens eine zeitliche Verschiebung zwischen den Zeilen sichtbar werden. Auch ist beim elektronischen Rolling-Shutter kein Blitzen möglich.
Beispiel Rolling Shutter Effekt Zug
Das können wir uns so vorstellen: Beim Abtasten der unteren Sensor-Zeilen¹ war der Zug, der von links nach rechts durch unser Bild fährt, noch links im Bild. Beim Abtasten der oberen Zeilen jedoch schon ein Stück weiter rechts und somit verschieben sich die Senkrechten vom Zug. Gut zu erkennen ist der Rolling Shutter Effekt in unserem Beispielfoto vom Zug:
Foto oben: Rolling Shutter Effekt am Beispiel eines Zuges, der von links nach rechts durch das Bild fährt. Die Senkrechten sind zu Schrägen geworden.
¹ Da das Foto auf dem Sensor kopfüber abgebildet wird, werden in unserem Beispiel zuerst die oberen Sensor-Zeilen ausgelesen. Zum besseren Verständnis wurde es in der Erklärung aber so vermittelt, dass es einfacher zu verstehen ist.
Grafik Animation Rolling Shutter versus Global Shutter
Rolling Shutter
Global Shutter
Beispiel Rolling Shutter Effekt Rotor
Es kann noch schlimmer kommen, wenn Sie einen Rotor fotografieren. In unserem Beispiel habe ich den Rotor einmal stehen lassen, damit Sie sehen, dass er zwar in sich verwundene Blätter hat, die jedoch gerade gegenüber eine Linie bilden. Fotografieren wir den Rotor in Bewegung mit einem langsam ausgelesenen Sensor, erhalten wir den Rolling Shutter Effekt auch beim Rotor.
Hier ist sogar zu sehen, wie an einer Stelle ein Rotorblatt auftaucht, welches dort gar nicht abgebildet werden sollte:
Beispiel Rolling Shutter Wildlife
Auch im Bereich der Wildlifefotografie, genau wie beim Sport oder anderen Actionmotiven, ist der Rolling Shutter Effekt nicht erwünscht. Hier sehen Sie eine Biene, der ein dritter Flügel entsteht. Die Bewegung der Flügel im Flug ist sehr schnell, und ein langsamer Sensor kann damit nicht umgehen:
Die Liste der Beispiele ließe sich endlos weiterführen. Bälle werden beim Sport plötzlich im Foto lang gezogen, ähnlich einem amerikanischen Football. Selbst langsam laufende Menschen oder Tiere können falsch dargestellt werden.
Schnelle Stacked BSI-Sensoren
Um den Rolling-Shutter-Effekt zu minimieren, ohne teure Global-Shutter zu verbauen (Sony A9 III), werden heute auch Stacked-BSI-Sensoren (Englisch: backside iluminated, Deutsch: rückwertig belichtet) für ein schnelles Auslesen verwendet. Diese sind zurzeit noch teurer in der Herstellung als herkömmliche Sensoren und haben den Nachteil, einen geringeren Dynamikumfang zu bieten als bei herkömmlichen Sensoren.
Eine Canon R5 Mark II hat bereits rasante Auslesezeiten, sodass wir im Bereich Wildlife keine Fehler mehr erkennen. Hier Beispiele für die Auslesezeiten verschiedener Kameras:
Canon Sensor-Auslesezeit | ||||
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Canon Kamera | Sensor | Auflösung (MP) | Sensor-Auslesezeit (ms) ca. | Verschluss-Empfehlung Vögel im Flug |
Canon EOS R7 | APS-C | 32.5 | 30 | elektronischer 1. Verschluss oder MS |
Canon EOS R6 | Vollformat | 20 | 19,4 | elektronischer 1. Verschluss oder MS |
Canon EOS R5 | Vollformat | 45 | 16,4 | elektronischer 1. Verschluss oder MS |
Canon EOS R8 | Vollformat | 24 | 14,7 | elektronischer 1. Verschluss oder MS |
Canon EOS R6 Mark II | Vollformat | 24 | 14,7 | elektronischer 1. Verschluss oder MS |
Canon EOS R5 Mark II | Vollformat | 45 | 6,3 | elektronischer Verschluss (ES) |
Canon EOS R3 | Vollformat | 24 | 4,8 | elektronischer Verschluss (ES) |
Canon EOS R1 | Vollformat | 24 | 2,7 | elektronischer Verschluss (ES) |
Alle Angaben ohne Gewähr. Kürzere Zeiten sind besser. |
Fujifilm Sensor-Auslesezeit | ||||
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Fuji Kamera | Sensor | Auflösung (MP) | Sensor-Auslesezeit (ms) ca. | Verschluss-Empfehlung Vögel im Flug |
GFX 100 II | Mittelformat | 100 | 166 | elektronischer 1. Verschluss oder MS |
Fuji X100VI | APS-C | 40 | 31,3 | elektronischer 1. Verschluss oder MS |
Fuji X-T5 | APS-C | 40 | 31,3 | elektronischer 1. Verschluss oder MS |
Fuji X-H2 | APS-C | 40 | 30,9 | elektronischer 1. Verschluss oder MS |
Fuji X-T4 | APS-C | 26 | 19 | elektronischer 1. Verschluss oder MS |
Fuji X-H2s | APS-C | 20 | 6,2 | elektronischer Verschluss (ES) |
Alle Angaben ohne Gewähr. Kürzere Auslesezeiten sind besser. |
Sony Sensor-Auslesezeit | ||||
---|---|---|---|---|
Sony Kamera | Sensor | Auflösung (MP) | Sensor-Auslesezeit (ms) ca. | Verschluss-Empfehlung Vögel im Flug |
Sony A7R V | Vollformat | 42 | 100 | elektronischer 1. Verschluss oder MS |
Sony A7 IV | Vollformat | 33 | 62,5 | elektronischer 1. Verschluss oder MS |
Sony A9 | Vollformat | 24 | 6,6 | elektronischer Verschluss (ES) |
Sony A1 II | Vollformat | 50 | 3,8 | elektronischer Verschluss (ES) |
Sony A9 III | Vollformat | 24 | 0 (Global Shutter) | elektronischer Verschluss (ES) |
Alle Angaben ohne Gewähr. Kürzere Zeiten sind besser. |
Nikon Sensor-Auslesezeit | ||||
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Nikon Kamera | Sensor | Auflösung (MP) | Sensor-Auslesezeit (ms) ca. | Verschluss-Empfehlung Vögel im Flug |
Z7 Mark II | Vollformat | 45 | 67 | elektronischer 1. Verschluss oder MS |
Z6 Mark II | Vollformat | 24 | 39 | elektronischer 1. Verschluss oder MS |
Z6 Mark III | Vollformat | 24 | 11 | elektronischer Verschluss (ES) |
Z8 | Vollformat | 45 | 3,7 | elektronischer Verschluss (ES) |
Z9 | Vollformat | 45 | 3,7 | elektronischer Verschluss (ES) |
Alle Angaben ohne Gewähr. Kürzere Zeiten sind besser. |
Sind Kameras mit Rolling-Shutter schlecht?
Sind Kameras mit Rolling-Shutter deshalb schlecht? Nein, der Fehler tritt nur bei bestimmten Bewegungen auf und setzt voraus, dass wir den elektronischen Verschluss einer Kamera nutzen. Besser ist es allerdings, wir Fotografen wissen um den Fehler und die Möglichkeit, wie wir ihn vermeiden.
Rolling Shutter Effekt vermeiden
Den Rolling Shutter Effekt bekommen Sie keinesfalls in diesem Ausmaß mit dem mechanischen Verschluss oder der Kombination aus erstem elektronischem und zweitem mechanischem Verschluss. Dann sind zwar meist keine 20-120 Bilder pro Sekunde möglich, aber solche schnellen Serien werden selten benötigt.
Nutzen wir den elektronischen Verschluss nicht, so verzichten wir allerdings auf die Möglichkeit der Voraufnahme. Die Voraufnahme ist nur mit dem elektronischen Verschluss (ES) möglich.
Wissenswertes zur Voraufnahme >>
Global Shutter Sensoren
Global Shutter Sensoren sind bei industriellen Kameras bereits seit rund 20 Jahren verfügbar (früher bei Sensoren niedrigerer Auflösung), halten aber in der Fotografie erst in letzter Zeit Einzug. Hier werden die Zeilen nicht einzeln ausgelesen, sondern ALLE exakt gleichzeitig (KEINE Millisekunden des Auslesens), sodass Belichtungszeiten und Blitzzeiten bis in den µs Bereich möglich sind.
Global Shutter Sensoren sind technisch ausgereift auch bereits bis zu 150 Megapixel verfügbar, durch den höheren technischen Aufwand allerdings deutlich teurer als Rolling Shutter Sensoren.
Mit dem Global Shutter der neuesten Kameras (etwa Sony A9 III) werden selbst extreme Bewegungen nicht mehr verzerrt. Deshalb kann man sich diese Art von Kameras mit Global Shutter vorrangig für Sport, Action und Wildlife wünschen. Außerdem haben reine Global-Shutter-Kameras keinen mechanischen Verschleiß in der Kamera, da sie keinen mechanischen Verschluss vor dem Sensor benötigen.
Nicht alle Global-Shutter-Sensoren sind BSI-Sensoren. Es gibt auch Global Shutter Sensoren auf FSI-Basis (Frontside-Illuminated).
Alles hat also Vorteile und Nachteile. Aber im Laufe der Zeit werden sich Global-Shutter-Sensoren vermutlich technisch verbessern und durchsetzen.
Alles zur Voraufnahme >>© Peter Roskothen ist Profi-Fotograf, Fototrainer, Fotojournalist – Rolling Shutter Effekt, Erklärung Effekte und Lösungen
Grundlagen für einige Grafiken sind durch KI erzeugte Bilder. Fotografen wurden dadurch ausdrücklich nicht verletzt.
Einen herzlichen Dank an Gernot Kasch, unseren neuen *fotowissen-Autor im Jahr 2025, der beim Feintuning dieses Artikels mitgewirkt hat!
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Ein lehrreicher, eindrücklicher Artikel, der die Umstände dieses Effekts bestens erläutert. Da wirst du lange dran gesessen haben, lieben Dank dafür!
Danke Dir sehr!
Hallo Herr Roskothen,
herzlichen Dank für diese Erklärung des Rolling Shutter Effekts. Jetzt endlich kann auch ich
mir darunter etwas vorstellen.
Offensichtlich beherrschen sie die Kunst, komplizierte Vorgänge, verständlich darzustellen.
Dafür großes Kompliment.
Mit freundlichen Grüßen
Heiner Homberger
Guten Tag Herr Homberger,
danke für das wunderbare Feedback.
Herzlich Peter R.
Ein kleiner Hinweis: Ein Baseball ist ein kleiner runder Ball, gemeint ist wohl eher ein Football. Beides eher amerikanisch, aber doch recht unterschiedlich.
Schade finde ich, dass Sie bei den Sensorauslesezeiten die Kameras von Panasonic und OM System unterschlagen. Diese haben teils recht kurze Auslesezeiten und sind deshalb gerade für Naturfotografen mit etwas geringerem Budget eine interessante Wahl.
Danke Herr Conradi,
ist korrigiert. “Unterschlagen” wollten Sie nicht wirklich schreiben, oder? Sie wollten sich sicher für den Beitrag bedanken, richtig?
Herzlich Peter R.
Richtig Herr Conradi. Außerdem haben die genannten MFT-Hersteller gegenüber den gestandenen Vollformat/APS-C – Firmen eine gewisse Vorbild-(Vorsprung-)Funktion in technischer Hinsicht gehabt. Das Wort “unterschlagen” würde ich gern in “nicht berücksichtigen” (wegen des Schattendaseins) diplomatisch ummünzen.
Hallo Herr Roskothen,
Danke für den interessanten Artikel!
Wenn ich die Ergebnisse richtig interpretiere, haben Kameras mit geringerer Auflösung generell eher schnellere Auslesezeiten, was ja auch einleuchtend erscheint. Ein weiterer Hinweis darauf, dass mehr Auflösung und somit größere Dateien, nicht nur Vorteile mit sich bringen.
Was ich mich frage: Werden bei einer eingestellten Auflösungsreduzierung ebenfalls die Auslesezeiten kürzer? Das könnte man dann ja nutzen.
Konnten ihre Tests diesbezüglich eine Antwort geben?
Danke für Ihre Mühen und viele Grüße
Torsten Steinbach
Sehr geehrter Herr Roskothen,
Ihre Beschreibung des Rolling Shutter Effektes habe ich so anschaulich erklärt noch nirgendwo gelesen. Herzlichen Dank dafür.
Einen Punkt möchte ich jedoch kommentieren:
Offensichtlich leiden nicht alle Kameras mit Stacked Sensoren unter einem geringeren Dynamikumfang. Die Fujifilm X-H2S hat den gleichen und sehr hohen Dynamikumfang einer XT4. Gegenüber der X-H2, die keinen Stacked Sensor hat, ist der Dynamikumfang sogar höher, und dies über den gesamten ISO Bereich. Im Videobereich gibt Fujifilm den Vorteil der X-H2S sogar mit über einer vollen Lichtstärke an. Damit hebt sich die X-H2S mit ihrem Stacked Sensor positiv von anderen Kameras, wie z. B. Canon R5 II, ab.
Mit freundlichen Grüßen
Berthold Biehler