Verehrte Fotobegeisterte, meine Fotogeschichte Queen Mum und ihr Butler, die ich Ihnen erzählen möchte, ist eine Street-Fotografie-Geschichte. Der Bogen zum Foto reicht allerdings diesmal weit nach hinten, denn grob gesagt finde ich es schon „recht lange“ reizvoll, Situationen und Menschen in Städten zu fotografieren. Es hieß nur früher anders. Vielleicht Milieustudie, Portrait, Dokumentarfotografie, oder etwas, das mir entfallen ist. Der Wahl dieses Fotos ging ein Prozess voraus. Er begann mit der Frage, wie lange eigentlich schon dieses „recht lange“ währt.
Die Fotogeschichte wird von einer Autorin / einem Autoren von *fotowissen erzählt. Es handelt sich um eine interessante Begleitgeschichte zum Foto, eine Erläuterung wie es zu dem Foto kam, warum es fotografiert wurde und möglicherweise auch die Technik hinter der Fotografie.
So eine Fotogeschichte ist eine Anstrengung, von der Sie etwas mitnehmen können, sei es das Technische, das Zwischenmenschliche, die Sichtweise der FotografInnen oder die Interpretation. Bitte trauen Sie sich Ihren konstruktiven Kommentar unter den Artikel zu schreiben, denn auch wir können immer dazu lernen und freuen uns auch über Lob und Kritik. Danke.
Inhaltsverzeichnis
Fotogeschichte – Queen Mum und ihr Butler
Menschsein im urbanen Raum fotografieren, eine kleine Szene mit Geschichte, Streetfotografie, habe ich das früher gemacht? Oder anders: Besitze ich jenes eine Foto, das ich als meine erste, klassische Streetfotografie bezeichnen würde? Aufgemacht habe ich mich in die tiefsten Tiefen der Festplatten hinein. Gott sei Dank habe ich alles Brauchbare meiner Fotografie vor Jahren schon digitalisieren lassen. Was da so alles zutage kommt, am Zeitstrahl entlang zu den Anfängen meiner eigenen Foto-Geschichte, es ist krass! Lange hat es gedauert, und ich habe Fotografien gesichtet, die meinem Bewusstsein längst entfallen waren. Also weiter. Zurück, zurück, zurück, Datei für Datei, Jahr für Jahr, den Anfängen entgegen. Wirklich, ich bin schließlich fündig geworden. Da erschien sie plötzlich am Bildschirm, jene Aufnahme, die elektrisierend auf mich wirkte! Noch weiter davor findet sich auch nichts Vergleichbares mehr. Dieses Foto, das Sie nun hier sehen, ist Straßenfotografie, und zwar meine allererste, meine ultimative Street-Belichtung Nummer 1!
Reisetagebuch
Wir schreiben das Jahr 1993. Ich bin mit einem alten VW Bus unterwegs in Schottland, genauer gesagt, an diesem Tag in Edinburgh. Wir waren zu 2 Paaren mit 2 VW Bussen dort, es war viel los in Schottlands Hauptstadt. Irgendwie hatten wir etliche Ideen, was man alles machen kann und sollte, wenn man dann schonmal da ist. Der leicht verblassten Erinnerung kann ich heute mittels meiner Reisetagebücher auf die Sprünge helfen. In diesen Büchern habe ich teilweise auch Daten + Informationen zu meiner Fotografie vermerkt. Und dort ist tatsächlich nachzulesen, dass meine Reisebegleiter an diesem Tag in Museen, in Pubs, oder hoch zum Schloss wollten. Mir jedoch war einfach nur nach schauen und nach herumlaufen. Im längst abgegriffenen Reisetagebuch findet sich dann ein Eintrag, der mich froh und glücklich sein lässt. Denn er gehört zu meinem ultimativen Street-Foto Nr. 1, er gehört zu dieser Geschichte, und entsprechend als wichtiger Punkt zu meiner eigenen Story. Es findet sich dieser lapidare Satz: „Habe auf der Straße die Schotten beobachtet, und sogar 2 alte Herrschaften fotografiert. Sie sahen fast aus wie Queen Mum und ihr Butler“.
Der Titel gehört hier einfach hin, er ist tatsächlich so alt wie das Foto selbst.
Die beiden Herrschaften werden sicher nicht mehr leben. Sie hier in der Fotografie noch einmal zu sehen, wie sie dort in ihrer würdevollen Einzigartigkeit sitzen, berührt mich. Der Herr, den Mantel zwischen den gefalteten Händen, erzählt seiner betagten Begleiterin etwas. Das muss wichtig gewesen sein, denn das hohe Interesse und die Aufmerksamkeit der Dame sind ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. Und sie sind sich beide etwas wert. Mantel, weißes Hemd, Krawatte, und auch die Lady im Mantel und dem kessen Hut, das ist schon ein besonderes Motiv, bei dem ich heute auch wieder zur Kamera greifen würde.
Im Buch der Geschichten unserer eigenen Fotografie finden sich spannende Kapitel.
Es freut mich zu sehen, wie sich diese kleine, völlig unscheinbare Szene nach 30 Jahren vor meinem geistigen Auge noch einmal aufrollt. Auch die Erinnerung, wie das dort in der Straße aussah, kommt zurück. Ich sehe mich in meinen abgewetzten Traveller-Klamotten, mit Vollbart und einem hölzernen Ohrring, in der Tasche meine damalige Fotoausrüstung von CANON. Fotografiert habe ich bis in die späten 80er-Jahren mit dem Profi-Gehäuse CANON A1. An Objektiven besaß ich das Standard FD 50 mm f1.4, und ein CANON FD Zoom 35-105 f3,5. Mit dieser Linse muss auch dieses Urknall-Streetfoto entstanden sein, bei dem es sich in aktuellem Format um die digitalisierte Variante handelt.
Von der Festplatte in den Raum
Von der Festplatte befreit, habe ich es anfertigen lassen als Alu Dibond, 30x20cm. Es steht frei oder gerahmt mit Passepartout bei mir zu Hause. Das Foto oben zeigt die Fotografie in dem Raum, wo auch meine aktuellen Fotos und alle Bücher zur Street-Fotografie zu finden sind. So schließt sich einer von vielen Kreisen, und in dem Fall ist es einer, der mir wirklich etwas bedeutet. Sollte ich gefragt werden, was es mit dem Foto auf sich hat, werde ich süffisant schmunzelnd sagen: „Habe auf der Straße die Schotten beobachtet, und sogar 2 alte Herrschaften fotografiert. Sie sahen fast aus wie Queen Mum und ihr Butler“.
Herzlichen Dank für Ihr Interesse, bleiben Sie uns gewogen, ihr,
Dirk Trampedach
© Dirk Trampedach, Journalist für Fotografie bei *fotowissen – Fotogeschichte – Queen Mum und ihr Butler
Die Fotogeschichte wird von einer Autorin / einem Autoren von *fotowissen erzählt. Es handelt sich um eine interessante Begleitgeschichte zum Foto, eine Erläuterung wie es zu dem Foto kam, warum es fotografiert wurde und möglicherweise auch die Technik hinter der Fotografie.
So eine Fotogeschichte ist eine Anstrengung, von der Sie etwas mitnehmen können, sei es das Technische, das Zwischenmenschliche, die Sichtweise der FotografInnen oder die Interpretation. Bitte trauen Sie sich Ihren konstruktiven Kommentar unter den Artikel zu schreiben, denn auch wir können immer dazu lernen und freuen uns auch über Lob und Kritik. Danke.
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Sehr geehrter Herr Trampedach,
ein wirklich geniales Bild und ein absolut passender Titel, der mich aufmerksam werden ließ. Und wenn es auch nicht Queen Mum und ihr Butler sind, so könnten Sie es doch sein. Die Geschichte um Ihr Bild gefällt mir gut und erinnert mich daran, dass ich 1991 tatsächlich die Queen Mum und Queen Elisabeth, die Highland Games in Schottland besucht haben, fotografieren konnte. Das Dia suche ich gleich mal raus!
Die Aussagekraft Ihres Bildes ist sehr stark, einen wertvollen Moment haben Sie da eingefangen! Vielen Dank für das Zeigen und die Teilhabe an Ihren Gedanken!
Ein schönes Wochenende!
Frank Seeber
Lieber Herr Seeber,
es freut mich ungemein, dass sich nachspüren lässt, was das Foto zeigt, bzw. die Geschichte dahinter vermitteln möchte. Ich bedanke mich herzlich für ihren Kommentar, und auch für ihre begleitende Geschichte zu „Queen Mum“. Viel Erfolg bei der Foto-Suche!
Freundliche Grüße aus SIegen,
Dirk Trampedach
Lieber Dirk,
wir können sofort erkennen, dass es sich um ein „echtes“ analoges Foto handelt, denn rechts ist eine Fluse im Foto, die das Foto perfekt macht. Das Korn, die Anmutung des Films lassen mich schwärmen von den alten analogen Tagen. Dass Du damals bereits ein solches „stunning photograph“ geschossen hast, ist sicher kein Zufall. Technisch ist es perfekt gemacht, denn Mum und Butler sind scharf, der Hintergrund sofort ein Bokeh, der uns nicht vom Gespräch der beiden ablenkt.
Ich denke bei meinem nächsten England-Aufenthalt werde ich auch wider raus auf die Straße. Ich hatte in GB bereits postitive Erfahrungen mit der Strett-Fotografie und bis heute lässt mich das Thema nicht los. Vielen Dank für Deine wunderbare Fotogeschichte!
Herzlich,
Dein Peter
Hallo Peter,
dankeschön dafür! Und wie wahr, die Fluse… ;-)
Beste Grüße, Dirk
Lieber Dirk Trampedach,
ein wunderbares Bild, aber wie immer das Bild liegt im Betrachter. Einige kleine Anmerkungen meiner unmaßgeblichen und subjektiven Eindrücke zur Bildinterpretation. Was fällt mir auf oder was meine ich wahrzunehmen. Er spricht, sie schweigt. Er wirkt im Bild sprechend aus etws höherer Warte. Jedenfalls im Foto. Beide liegen auf einer Linie und beide sitzen war einem begrenzten Gestühl. Ihr Mundwinkel zieht links leicht nach unten. Mein Eindruck ist: er ist Sender, sie Empfänger. Jedenfalls im eingefangenen Moment. Aber in jedem Fall ein genaues Bild einer Kommunikation eines Paares. Sie Königin, er Butler, ich bin nicht sicher. Aber jedenfalls ein typisch britisches Paar. Das legt Assoziationen nah.
PS: Wer Anregungen sucht über Nachdenken, Meditationen über Bilder dem empfehle ich Katja Petrowskaja, Das Foto schaute mich an, Bibliothek Suhrkamp. Sie verbindet auch ihr wichtige Bilder mit ihren Geschichten. Jedes Foto mit knappem Text. Schön zu lesen, viel Spaß.
Hallo Herr Stauch,
herzlichen Dank für ihre Gedanken zur Fotogeschichte. Interessant, was die Betrachtung des Fotos alles auszulösen vermag, hinreichend bis in die Bereiche Schulz von Thuns. Danke auch dafür. Mit so ganzheitlichen Herangehensweisen bekommt ein Foto einerseits viel Wertschätzung, und andererseits reichert sich das an für kommende Aufnahmen.
Freundliche Grüße,
Dirk Trampedach
Lieber Dirk,
vielen Dank für das Teilen deiner persönlichen Geschichte. Ich denke, wenn wir unseren Blick zurück auf Anfänge oder bestimmte Bezugspunkte werfen, kann uns das ungemein voranbringen. Sei es, dass wir Bestimmte Situationen neu bewerten und unseren Frieden finden oder, so wie bei dir, einfach Freude darin finden unsere eigene „Werdung“ zu erkennen. So schön, wenn noch so viel Junges in uns „Alten“ ist. ;-)
Ich hatte letztes Jahr die ersten Bilder meiner Touren am Polarkreis digitalisiert. Es war schön die Fotografien, wo ich vor fast 40 Jahren als 18-Jähriger war, nun jenen gegenüberzustellen, auf welchen ich mit meinem 25-jährigen Sohn an gleicher Stelle bin.
Und deine Fotografie ist hervorragend und ungemein inspirierend. Auch dein Text hat mich angeregt meine Gedanken schweifen zu lassen – vielen dank dafür. Das in seinem Kommentar von Herrn Stauch erwähnte Buch werde ich mir mal anschauen.
Liebe Grüße,
Bernhard
Hallo Bernhard,
es freut mich, auch bei dir mit Foto & Story einen guten Nerv getroffen zu haben. Der Blick zurück, als Orientierung zum Beispiel, ist nie verkehrt. Und du hast recht, gerade bei relativ alten Fotografien ist gut erkennbar, wa sich so alles getan und entwickelt hat (oder ggf auch nicht…).
Dir zu deinen Aktivitäten und Vorhaben alles erdenklich Gute!
Herzlich, Dirk
Ja ein wirklich „knorriges“ Bild! Aber hinsichtlich der Interpretation der Aufmerksamkeit der Dame kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie im festgehaltenen Augenblick nicht an seinen Lippen hängt, sondern ihr Blick haarscharf rechts am begleitenden Herrn vorbei geht.
Hallo Herr Luitjens,
dankeschön für ihr Interesse am Foto samt Geschichte!
Sie haben recht, die Augen sind nicht an den Lippen. Aber geht uns das nicht auch selbst so?
Wir schauen niemandem permanent an, während wir dennoch aufmerksam zuhören.
Glauben möchte ich, dass dem hier auch so ist… ;-)
Herzliche Grüße,
Dirk Trampedach