Fotosukzessionen
Ein Fehlversuch mit der Venusfliegenfalle aus dem Baumarkt war der Anlass zu einem intensiven Nachschlagen über die Karnivoren, die fleischfressenden Pflanzen. Und da offenbarten sich ganz schnell meine Fehler:
Karnivoren Fleischfresser
Karnivoren dürfen als Sumpfpflanzen im Blumentopf niemals(!) austrocknen, manche müssen sogar ständig im Wasser stehen. Leitungswasser enthält die verschiedensten Mineralien, allen voran den Kalk und Karnivoren vertragen einen hohen Mineralgehalt nicht und Kalk schon gar nicht. Wer Karnivoren halten will, versorge sie mit Regenwasser oder destilliertem Wasser – letzteres erhält man in jedem Supermarkt. Auch das Substrat muss ein ganz spezielles sein. Und dann die Lichtbedingungen. Hell wollen sie alle stehen, aber nicht alle vertragen die volle Sonne – einige verlangen sie sogar.
Diese Erkenntnisse führten mich zu der Entscheidung, mir die Karnivoren von einer speziellen Gärtnerei zu besorgen. Die Pflanzen, die ich erhielt, gefielen mir alle – aber mein besonderes Interesse galt schließlich dem Sonnentau. Der Topf enthielt mehrere Exemplare, bei denen prächtige Rosetten ausgebildet sind. Viele davon hatten mittig Ansätze, die ich als kommende Laubblätter deutete. Sollten sie sich bald zu ordentlichen Laubblätter entwickeln, könnte ich sicher sein, dass meine Pflege richtig ist. So war es auch.
Bis ich eines Tages dieses Foto machen konnte.
Da kam etwas zum Vorschein, was kein Laubblatt werden konnte, das wird bestimmt eine Blüte. Gleich fiel mir diese Spirale mit den darin eingeschlossenen Gebilden auf, was eigentlich nur die Knospen sein konnten. Die Spirale entrollte sich aber nicht, sie blieb erhalten, was wuchs, das war der Blütenstiel. Erst nachdem er 25 cm über der Rosette stand begann er sich aufzurollen.
Es dauerte auch nicht lange, bis an der ersten Knospe zu erkennen war, dass sie aufblühen werde.
Und das passierte dann auch, allerdings lebte die Blüte nur einen Tag und das auch nur wenige Stunden.
Was ich hier beschrieben habe, könnte man als eine Sukzession, als Fotosukzession bezeichnen. Der Sukzessionsbegriff stammt aus der Biologie, dort beschreibt er die natürlichen Vorgänge, die sich auf einer kahlen Fläche ohne den Eingriff des Menschen vollziehen. Auf die Fotografie bezogen, hält man in einer Fotosukzession die Entwicklungsabschnitte einer Pflanze fest.
Allerdings bin ich dabei recht großzügig mit den Aufnahmebedingungen umgegangen. Ein wirkliche Fotosukzession kann nur entstehen, wenn sämtliche Aufnahmebedingungen über den Aufnahmezeitraum gleich bleiben. Im Studio könnte das erreicht werden, wenn die betreffende Pflanzen an dem Ort steht, an dem ihre Lebensbedingungen optimal erfüllt sind und die Kamera auf dem Stativ das Motiv während aller Aufnahmen erfassen kann. Da die Aufnahmen in der Wohnung erfolgen, können sie sicher in den normalen Tagesablauf eingeordnet werden.
Fotosukzessionen in der freien Natur
In freier Natur sieht die Sache durchaus etwas anders aus. Dann haben Fotosukzessionen für den Fotofreund, der sich nicht nur um die Fotografie, sondern auch um Familie, Beruf u.a.m. kümmern möchte, einen entscheidenden Nachteil: Man kann zu Beginn der Fotosukzession nicht mit absoluter Sicherheit sagen, dass man zu den Terminen, die sich aus der Aufgabenstellung ergeben, wieder an Ort und Stelle sein kann. Nicht selten bleiben deshalb solche Vorhaben in den Anfängen stecken. Das muss aber nicht so sein
Für die erste Fotosukzession sollte man sich nicht nach einem besonders exquisiten Objekt umschauen, das sich womöglich noch an einem Ort befindet, den man extra für dieses Vorhaben aufsuchen muss. Das genaue Gegenteil ist empfehlenswert: Man wählt ein ganz “normales Objekt” aus. Das kann ein kleiner Strauch, ein Baum, eine Ecke des Vorgartens, der Rosenbusch vorm Haus oder auch ein Blick in eine bestimmte Richtung sein. Was die Örtlichkeit betrifft, so sollte sich das Objekt in unmittelbarer Nähe der Wohnung, im eigenen Garten, auf dem täglichen Weg zur Arbeit, an der Fitnessstrecke oder auch auf dem Weg zum regelmäßigen Einkauf befinden. Es sollten also Objekte sein, die man nicht eigens aufsuchen muss, sondern an denen man wegen anderer Anlässe als der Fotografie ohnehin vorbei kommt – es muss nur zusätzlich die Kamera dabei sein und einige Zeit für die Aufnahme eingeplant werden, man erledigt die Sukzession so nebenbei.
Info zu den Karnivoren bei Wikipedia >>
Dies ist eine Serie von Beiträgen - Pflanzenfotografie - Lesen Sie die ganze Serie:
- Pflanzenfotografie für Einsteiger
- Pflanzenfotografie Kompaktkamera
- Pflanzenfotografie Systemkamera
- Pflanzenfotografie - Das Stativ
- Heimstudio, Computer und Software in der Pflanzenfotografie
- Die Pflanzen und der Wind
- Vorbereitungen des Pflanzenfotografen für den Frühling
- Sind Tricks in der Pflanzenfotografie erlaubt?
- Pflanzenfotografie - Die Schönheit des Vergehenden
- Pflanzenfotografie - Fleischfressende Pflanzen
- Pflanzenfotografie Weidenröschen
Sehr geehrter Herr Hauschild, ich habe ihn sofort erkannt, den kleinen Fleischfresser! Da ist Ihnen ein sehr interessanter Bericht mit tollen Fotos gelungen. Wieder `was dazu gelernt, vielen Dank! Mein Sonnentau steht jetzt auch kurz vor der Blüte und nun habe ich schon eine Idee, wie die winzigen Blüten aussehen werden. Ihr Artikel ergänzt den meinen sehr schön um das biologische Wissen, wir hätten uns zusammen tun sollen! Viele Grüße,
Maike Lehmann
Hallo Herr Hauschild,
ich kann mich hier nur anschließen und finde den Artikel auch sehr interessant. Ich glaube ich habe noch nie
eine “Fleischfressende Pflanze” blühen sehen. Ich bestaune sie meist in der “Pflanzen-Abteilung” im Baumarkt ;-)
Wer weiß, vielleicht werde ich auch mal eine ähnliche Sukzession fotografisch festhalten :-)
Die Foto`s dazu sind großartig!!!
LG
Susanne
Guten Tag Susanne B.
Ich denke Sie sind nicht allein mit der Unkenntnis blühender Karnivoren. Jeder, dem ich davon erzähle, staunt nur, dass es das gibt. Sollten Sie sich zu derartigen Aufnahmen entscheiden, so rate ich Ihnen, sich die Pflanzen vom Fachandel zu holen. Die Gärtnerei “Exotenherz” bietet im Netz ein reichhaltiges Angebot, schickt Ihnen gesunde und kräftige Pflanzen in einer Spezialverpackung mit Anleitung. Allerdings sollten Sie bedenken, dass Sie sich um die Pflanzen täglich(!!!) an warmen Tagen so gar mehrmals täglich (!!!) kümmern müssen. Einmal ausgetrocknet ist die ganze bisherige Mühe umsonst gewesen. Aber: Es macht unheimlich Freude.
p.s.:
– Mein Sonnentau bringt zurzeit den fündten (!) Blütentrieb und am Trieb der Venusfliegenfalle reifen die Samen.
– Bei Amazon habe ich ein e-Book veröffentlicht (“Pflanzen fressen Tiere”), das mit einem kostenlosen Programm von Amazon auf jedem Computer gelesen werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Günter Hauschild
Hallo Herr Hauschild,
vielen Dank für die Info`s, sollte ich mir so ein Pflänzchen zulegen, dann kommen
auch sicher Foto`s !!!
LG
Susanne