In diesem Artikel möchte ich Ihnen einen interessanten Nebenaspekt des Fotografie-Hobbys vorstellen. Mittlerweile gehen immer mehr Damen und Herren diesem Hobby nach. Es ist eine Beschäftigung mit der Fotografie, die Sie auf interessante Fotoexkursionen in Städte und Dörfer führen kann.
Sie können aber auch eine Reise von zu Hause aus mittels Google Earth unternehmen.
Kommen Sie mit auf eine kleine Reise durch die Welt der Hobbys und wie verschiedene Interessengebiete verschmelzen können
Wenn Du beim ersten Date die Frau sofort verschrecken willst, dann sage ihr, dass Du eine Modellbahn hast. Das sagt Modellbahner Roland, der vermutlich genau aus diesem Grund auch unverheiratet ist.
Ein Hobby ist ja etwas Superschönes. Mir ist es auch egal, was jemand für ein Hobby hat. Ich kannte mal eine Dame, die Zuckerstücke sammelte. Diese eingewickelten Würfelchen.
Inhaltsverzeichnis
Respekt und Wertschätzung
Ihre Sammlung von mehreren Tausend hübsch bedruckten Würfelpackungen, aufgereiht in passenden Schachteln, war sehr beeindruckend. Toll! Und das habe ich ihr auch gesagt, obwohl ich im Grunde genommen Zuckerwürfelsammeln ziemlich doof finde.
Aber es ist ja auch eine Frage des Respekts, dass man die Interessen anderer Zeitgenossen ernst nimmt und ihnen die Aufmerksamkeit entgegenbringt, die sie verdienen. Den Respekt zolle ich ja nicht den Zuckerstückchen, sondern dem wertvollen Menschen, der mir da gegenübersteht.
Viel schlimmer als das Sammeln von an sich sinnlosen Gegenständen finde ich es, wenn jemand überhaupt keine Hobbys hat. Hierbei steht das Wort Hobby synonym für Interessen oder Beschäftigungen. Unter einem Hobby versteht man ja meist eine Betätigung, die man über eine ziemlich lange Zeit sehr intensiv macht. Das muss es gar nicht sein. Ich zum Beispiel gehöre zu den Menschen, die sich in ein Interessengebiet sehr intensiv einarbeiten und reinknien können, aber mitunter auch recht schnell wieder das Interesse daran verlieren.
Ein Hobby muss also nichts sein, das man ein Leben lang tut, es können auch kurz nacheinander wechselnde Betätigungen sein. Hauptsache, man macht überhaupt etwas. Schade, wenn man seine Zeit beispielsweise nur vor dem Handy, Tablet oder Smartphone mit eher sinnlosem Konsum verbringt.
Midlife
Besonders Männer interessieren sich oft für eine Modelleisenbahn. Meist scheitert der Traum am erforderlichen Platz. Vor rund 25 Jahren war ich gerade in der Lebensmitte, also in dem Alter, in dem sich manche Geschlechtsgenossen einen Zopf wachsen lassen, ein Surfboard aufs Autodach schnallen und sich eventuell auch noch ein Motorrad kaufen. Ich habe mir eine Modelleisenbahn zugelegt.
Einen Zopf gab mein schütteres Haupthaar nicht her, Surfen war mir mit zu viel Bewegung verbunden und Mopedfahren kann ich nicht. Aber den erforderlichen Platz für eine Modelleisenbahn hatte ich.
Meiner Frau war’s auch recht, denn „kleine Bimmelbahnen sind nicht so gefährlich wie eine Harley-Davidson“, sagte sie.
Tante Trude
Es war eine ganz wunderbare H0-Anlage mit allem Drum und Dran. Damals ging es gerade los mit der Digitalisierung von Modellbahnen und natürlich war auch meine digital.
Aber alles auf der Anlage war im Grunde genommen gekauft. Die Bausätze für die Häuser, die Bäumchen, die Männchen, die Frauchen und die dicke Transe.
Nein, ich werde nicht über Wokeness und sowas schimpfen, sondern wir haben herzlich über die „dicke Transe“ gelacht. Für den kleinen Friedhof, den ich neben der Kirche aufgebaut und liebevoll gestaltet hatte, war ich auf der Suche nach Figuren, die eine Beerdigungsgesellschaft darstellen sollten.
So etwas gibt es fertig zu kaufen, sogar unterschieden nach evangelischer und katholischer Bestattung. Bloß konnte ich die passenden Figuren nirgendwo bekommen, Amazon und so etwas gab es ja noch nicht.
Also habe ich ganz normale Figuren umlackiert und ihnen schwarze Trauerkleidung verpasst, das ging prima. Doch woher einen Pfarrer in vollem Ornat nehmen? Da fiel mir die Figur „Tante Trude“ in ihrem langen Kleid in die Hände. Und mit etwas Farbe und Plastikspachtel habe ich Tante Trude in einen wunderhübschen dicken katholischen Pastor verwandelt. Mein kleiner Sohn hat ihm den Namen „die dicke Transe“ verpasst.
Fotorealistische Häuser selbst gestalten
Aber das nur nebenbei.
Ich will auf etwas ganz anderes hinaus: Wie ich schrieb, war das meiste auf der Anlage gekauft.
Vor einigen Monaten habe ich mich aufs Altenteil zurückgezogen. Das bedeutet vor allem, dass ich nicht mehr zu Auftritten und Buchlesungen reise und es geruhsamer angehen lassen möchte. Da kam mir meine, aus bestimmten Umständen damals untergegangene, Modelleisenbahn wieder in den Sinn. Also habe ich den Platz ausgemessen, überlegt, geplant und dann die Entscheidung gefällt, dass ich nochmal damit anfange. Diesmal in Spur N.
Normale Modelleisenbahnen sind üblicherweise in der Spurweite H0, das entspricht einem Maßstab von 1:87. Spur N ist etwa halb so groß und hat den Maßstab 1:160. Das müssen Sie sich nicht merken, aber auf jeden Fall ist es ziemlich klein. Figuren sind nur rund 2 cm groß und es ist schwierig alles so zu realisieren, wie es in größeren Maßstäben möglich ist.
Mein Bestreben bei dieser Anlage ist es, so viel wie möglich selbst zu machen. Dank 3D-Drucker und etwas Bastelgeschick ist das auch möglich. Heute möchte ich Ihnen zeigen, und damit komme ich nach langer Vorrede endlich zum Kern des Artikels, wie Sie Modellhäuser mit fotorealistischer Fassade problemlos selbst machen können.
Im ersten Schritt habe ich mir überlegt, wie man denn am besten und günstigsten so ein Modellhaus bauen könnte.
Ich könnte es mit dem 3D-Drucker machen oder aus Holz aussägen. Aber es gibt auch diese Papierbastelbögen, aus denen man vom Wohnhaus bis hin zu Schloss Neuschwanstein alles Mögliche bauen kann.
Also entschied ich mich für die Papierbogenvariante.
Im nächsten Schritt überlegte ich, aus welchen Teilen so ein normales Haus bzw. Reihenhaus besteht. Fassade, Rückseite, zwei Giebelwände und das Dach.
Das habe ich ziemlich laienhaft in Affinity-Photo (es geht auch in Photoshop oder jedem anderen ähnlichen Programm) eine universelle Vorlage erstellt.
Sie können meine Vorlage hier downloaden und gerne für eigene und ähnliche Projekte anpassen, verbessern, verwenden, optimieren und benutzen.
Diese Vorlage drucke ich auf Fotopapier aus. Dabei geht es mir gar nicht mal so um die Foto- und Druckqualität, sondern um die Stärke des Papiers. Schreibmaschinenpapier ist etwas zu dünn zum Basteln. Aber ein Papier so um die 160 g/qm ist prima geeignet.
Danach falze ich. Falze erleichtern später den Zusammenbau sehr. Und ich falze, bevor ich das Modell ausschneide, das ist nämlich viel einfacher, finde ich.
Zum Falzen verwende ich ein Lineal und einen stumpfen Schraubenzieher. Damit ziehe ich alle Linien, an denen später geknickt werden soll, kräftig nach. Es entstehen Rillen, die das Knicken erleichtern und den Zusammenbau zu einem Kinderspiel machen.
Erst dann schneide ich das Modell an den Außenlinien aus. Nun knicke ich alle Falze um. Mit einem Klebestift verbinde ich zuerst die Lasche, die das Giebelteil mit der Rückseite des Hauses verbindet. Der Rest ergibt sich dann von ganz allein. Es ist ja ein sehr einfaches Modell.
So viel zum grundsätzlichen Vorgehen, um ein Modellhäuschen aus Papier zu bauen.
Auf dem folgenden Bild sehen Sie ein Haus, das so in einem Vorort von Duisburg im Original steht. Es wird von einem guten Freund bewohnt, der dort ein bekanntes Bestattungshaus betreibt. Ihn wollte ich beeindrucken, indem ich genau sein Haus nachbaue.
Um das tun zu können, benötige ich ein Foto von der Fassade des Hauses. Mit genügend Abstand kann man es leicht so fotografieren, dass man keine stürzenden Linien bekommt. Das bedeutet, dass aufgrund der Perspektive das Haus oben wesentlich schmaler ist als unten.
Nicht immer kann man genügend Abstand nehmen. Dann muss man in Photoshop nacharbeiten und die Perspektive entzerren.
Ich mochte aber jetzt für dieses Foto nicht nach Duisburg fahren. Also habe ich mich auf Google Earth umgesehen und entdeckt, dass man dort mittels Street View eine Ansicht gezeigt bekommt, die in etwa so ist, als stünde man vor dem Haus.
Mit einem Screenshot kam ich an das benötigte Foto von der Fassade. In Affinity-Photo habe ich dann Unwichtiges abgeschnitten, das Bild noch etwas aufgehellt und alles so angepasst, dass es mir gefällt.
Mit copy & paste habe ich dann die Fassade einfach in meine Hausvorlage eingefügt. In diesem Fall hat es exakt gepasst, ansonsten muss man entweder die Vorlage oder die Fassade von der Größe her etwas anpassen.
Beim Dach mache ich übrigens nicht lange herum. Ich habe da ein Foto von Dachziegeln genommen, das mir gefallen hat. Sie sind absichtlich etwas perspektivisch schräg, das wirkt hinterher erstaunlicherweise noch realistischer, wie ich finde. Sie können dort aber ein Dachmuster ganz nach Herzenslust einfügen.
Mit dieser einfachen Methode können Sie beinahe jedes Wohnhaus superrealistisch nachbauen. Für den Effekt hat mir in diesem Fall die Vorderseite des Hauses genügt. Aber selbstverständlich lässt sich diese Methode auch auf die Seiten und die Rückseite von Gebäuden anwenden.
Auch kompliziertere Gebäude mit mehreren Anbauten, Stockwerken, Aufbauten und komplizierten Strukturen können realisiert werden. Ich habe auch gute Erfahrungen damit gemacht, die ausgedruckten Fassaden einfach auf Schachteln zu kleben. Experimentieren Sie!
Bedenken Sie bitte, dass ich im Maßstab 1:160 baue. Fotos zeigen alle Ungenauigkeiten und Feinheiten viel zu genau. Bei einem normalen Betrachtungsabstand sieht alles viel, viel schöner aus.
Darf man das denn?
Ich höre schon, wie die Bedenkenträger fragen, ob man denn einfach Häuser fotografieren oder Screenshots aus Google-Earth nehmen darf.
Ich frage mal zurück: Wen geht es etwas an, was Sie sich privat auf die Modelleisenbahn oder ins Regal stellen? Etwas anderes ist es, wenn Sie solche Modelle in Massen verkaufen möchten. Wir sprechen doch aber über die private Nutzung im Rahmen eines Hobbys.
Ein hochinteressanter Aspekt des Hobbys Fotografie
Und solche Häuschen lassen sich auch weitab von einer Modelleisenbahn verwenden. Ein Bekannter baut nach meiner Anleitung inzwischen eine historische Altstadt mit Fachwerkhäusern nach. So verbindet er Fotografie mit dem Basteln.
Er ist an vielen Wochenenden unterwegs auf Fotosafari. Dabei schießt er keine Bilder von wilden Tieren, sondern ist auf der Suche nach besonders schönen Fachwerkfassaden. Immer damit verbunden ist die Suche nach einem geeigneten Standpunkt für sein Stativ, denn in manchen Städten und Dörfern geht es eng zu.
Inzwischen hat er sich ein Tilt & Shift-Objektiv angeschafft.
Ein Tilt-Shift-Objektiv ermöglicht es, die insbesondere bei der Kunst- und Architekturfotografie gefürchteten unerwünschten stürzenden Linien zu vermeiden. (Wenn Sie mehr über Tilt und Shift-Objektive wissen möchten, dann schreiben Sie das gerne in die Kommentare, ich mache dann einen Artikel über das Thema.)
Dabei muss es für diesen Teilbereich der Fotografie gar kein besonders teures Tilt-Shift-Objektiv sein, weil das zu erzielende Endergebnis sehr klein ist und damit keine großen Ansprüche stellt.
Eine andere Bekannte hat alle Häuser, in denen sie mal gewohnt hat, inzwischen nachgebaut und die Modelle ins Regal gestellt.
Ein befreundeter Architekt hatte früher einen hauptberuflichen Modellbauer, der ihm Modelle seiner Häuser aus weißen Platten baute. Das ist unglaublich teuer und letztenendes können sich viele anhand von weißen Modellen kein richtiges Bild machen.
Inzwischen kombiniert der Architekt seine bisherige Methode und meine Methode. Er druckt weiße, standardisierte Hausmodelle mit dem 3D-Drucker aus und setzt als Fassade ein Foto ein. Nach seiner Aussage kommt das bei jungen Bauherrinnen und -herren fast noch besser an, als wenn er Ihnen einen virtuellen 3D-Rundgang auf dem Computer zeigt.
Ein älterer Herr aus Regensburg hat inzwischen Ritterburgen, Wild-West-Städte, historische Häuserzeilen und eine ganze Stadt gebaut. Fotografie war schon immer sein Hobby. Aber in über 45 Jahren meint er alles schon einmal fotografiert zu haben und seine teure Kameraausrüstung führte ein Schattendasein in der Kommode. Jetzt hat der Mann wieder Spaß an der Fotografie. Seine Frau freut sich, weil sie gemeinsam schöne Plätze besuchen und er wieder Spaß am Draußensein und an der Bewegung hat.
Sie sehen, Fotografie hat so viele Facetten. An manche Facette denkt man überhaupt nicht. Und vielleicht ist meine kleine Anregung ja auch eine Anregung für Sie und Sie bekommen Lust, auch einmal so etwas zu probieren.
Wenn Sie auf so etwas Lust haben: Trauen Sie sich!
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Sehr geehrter Herr Wilhelm,
weder bin ich ein Bastel- noch ein Modelleisenbahnfreund! Aber trotzdem hat es unwahrscheinlich Spaß gemacht, Ihren Artikel zu lesen! Und dabei habe ich wieder eine neue Facette der Fotografie kennenglernt- und wer weiß….vielleicht verbannt mich meine Frau ja eines Tages mal in den Keller (fei nach Loriot) und dann bastle ich eine Modelleisenbahn, oder so! :-)
Haben Sie vielen Dank!
Herzliche Grüße
F.Seeber