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Fotografieren mit dem Handy

Ich fotografiere seit einigen Jahren nur noch mit dem Handy. Als Gründe kann ich nennen Bequemlichkeit und das mir die technische Qualität der Bilder völlig ausreicht. Sie erfahren im Laufe dieses Beitrags, warum ich so denke.

Mit dem Smartphone fotografieren


Meine Motive und Bildideen liegen förmlich auf der Straße oder rechts und links des Weges. Ich mag es, ohne Ballast unterwegs zu sein. Ob beim Spazieren oder in der Stadt. Überall dort ergeben sich interessante Motive, aber ich schleppe deswegen doch keine schwere Kamera mit. Und extra noch mal mit Kamera und Stativ wiederkommen? Nee, lass mal. Das Handy ist für mich der ideale Begleiter, das hab ich immer mit und die Fotos haben eine gute, natürlich nicht überragende, technische Qualität. Aber ich möchte ja auch nur schöne, interessante und ansprechende Motive fotografieren. Ja? Das Motiv steht bei mir im Vordergrund.

Helmut Newton im Restaurant:
Der Koch: “Ihre Fotos gefallen mir, Sie haben bestimmt eine gute Kamera.”
Newton nach dem Essen: “Das Essen war vorzüglich – Sie haben bestimmt gute Töpfe.”

Gut gekontert, Herr Newton. Eigentlich schon beleidigend was der Koch da sagt. Das aufwendige und langjährig zu lernende Handwerk des Fotografen wird mal eben so auf den Kauf irgendeiner guten Kamera reduziert. Ich bin ohne Schmerzen von SLR zum Handy gekommen, weil mir die Auswahl und Qualität des Motivs wichtiger ist als technischer Krams. Spontane Motivideen lassen sich halt leichter mit einer Kamera fotografieren, die man dabei hat.

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Viele denken bei Handy-Fotos vielleicht an solche oft gesehenen Szenen: Verwackelte Selfies in zu dunkler Umgebung. Harter Blitz in erschrockene Gesichter. Durch Finger vor der Linse halb abgedeckte Fotos. Mittagessen. Espressotassen. Schuhspitzen von oben. Ich denke, diese Art Bilder entstehen aus den jeweiligen Situationen heraus. Das Handy ist immer griffbereit und wird gerne zur Beweisführung herangezogen. Eine vergleichsweise schwere und klobige Kamera eignet sich dafür nicht so gut. Mit dem Handy lassen sich Bilder auch ruckzuck veröffentlichen, daher sicherlich diese Flut von Bildern. Leider gehen die guten Handy-Bilder meines Erachtens in der Masse unter.

Ich kann es ja nicht lassen Sie zu quälen, ein einzelnes Tassen-Bild muss jetzt sein, mit Vorher/Nachher Vergleich. Die Bearbeitung erfolgte auf dem iPhone. Sieht doch lecker aus. :)

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Die Tatsache, dass eine im konventionellen Sinn technisch fehlerhafte Aufnahme gefühlsmäßig wirksamer sein kann als ein technisch fehlerloses Bild, wird auf jene schockierend wirken, die naiv genug sind zu glauben, dass technische Perfektion den wahren Wert eines Fotos ausmacht.
– Andreas Feininger –

Diese verkorksten Schnappschüsse (ich sage ja lieber Schnellschüsse), liegt das nun am Handy oder am Bediener? Beim Handy plädiere ich mal auf Unschuldig. Das Handy macht technisch nicht viel anders als eine Kamera (Linse, Blende, Sensor). Aber vor dem Drücken des Auslösers sollte noch ein gestalterischer Prozess stattfinden. Für diesen ist der Bediener verantwortlich. Was also hindert einen Handy-Fotografen daran, seine Bilder sorgfältig vorzubereiten und nicht gleich jeden – Entschuldigung – Mist zu knipsen? Das ist rhetorisch gefragt und braucht deshalb von mir nicht beantwortet zu werden. :)

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Wie ist das denn nun bei einem Handy?

Ich beschreibe das aus der Sicht als Anwender eines iPhone 6s Plus. Mein Gerät hat die folgenden technischen Merkmale hinsichtlich der Kamera, soweit sie mir bekannt sind. Es geht mir hier aber nicht um eine Pro/Kontra-Betrachtung zwischen Handy und Kamera. Das überlasse ich den Herren Schifferings und Roskothen. :)

  • Sensor: 12 Megapixel, 4032 x 3024 Pixel
  • Blende: fest 2,2
  • Brennweite: fest, Kleinbildäquivalent ist mir nicht bekannt, leichtes Weitwinkel.
  • Linse mit 5 Elementen
  • Verschlusszeiten 1/3 bis 1/12.000 Sekunde (finde keine offiziellen Angaben, bei meiner Kamera-App so einstellbar)
  • ISO 25 bis 2000 (finde keine offiziellen Angaben, bei meiner Kamera-App so einstellbar)
  • Optische Bildstabilisierung
  • Auslöseknopf: Auf dem Display tippen oder z.B. einen bereits vorhandenen Knopf (Lautstärke) benutzen oder einen Knopf des Kopfhörerkabels oder Funkfernauslöser
  • Kein Sucher, das Display ist das Sucherbild.

 

Welche App verwende ich zum Fotografieren?

Bei einem Handy benötigt man eine App zum Fotografieren. Diese steuert die Kamera im Handy. Man kann die Standard-App des Herstellers nehmen oder eine der vielen anderen angebotenen Apps verwenden, jede mit ihren besonderen Eigenschaften. Zum Fotografieren benutze ich die App “ProCamera” eines deutschen Entwickler-Teams. Apple liefert zwar eine Kamera App mit, die an sich schon ziemlich gut ist. Was ich nur richtig vermisse ist etwas Besseres als das übliche JPG Format und einen automatischen Autofokus-Lock.

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Kurz zum Begriff JPG (das wird jetzt aber kein Wiki). Bilder werden auf Handys üblicherweise im JPG Dateiformat abgelegt. Vorteil: JPG komprimiert die Bilder, so dass sie weniger Platz verbrauchen. Nachteil vom Vorteil: Die Komprimierung geht zu Lasten der Bildqualität, es entstehen Störungen, Pixel die so nicht im Original vorhanden waren. JPG benutzt nämlich eine verlustbehaftete Komprimierung. Je mehr Kompression je mehr Störungen. Meine Kamera-App erlaubt zum einen die Einstellung der Kompression hin zu einem recht geringen Wert (Dateien werden größer, haben aber weniger Störungen) oder die Verwendung eines verlustfreien Formates namens TIFF (Dateien sind hier aber noch größer). Zu dem Thema werde ich vielleicht mal einen eigenen Artikel machen, hier würde das jetzt zu weit führen.

 

Der Bildschirm der App “ProCamera” auf dem Handy-Display sieht aus wie im Bild weiter unten dargestellt. Man sieht das Motiv live dargestellt in dem eingestellten Seitenverhältnis (z.B. 16:9, 4:3 oder 1:1), also so, wie es fotografiert würde. Rechts in der Mitte ist der Auslöser. Ach ja, kleiner Exkurs, ich halte das Handy übrigens so, wie es das Motiv meiner Meinung nach erfordert, meistens quer, seltener hochkant. Es ist leider ein weit verbreitetes Phänomen, Handy-Fotos mit hochkant gehaltenem Gerät zu machen. Wenn man ein quadratisches Format (1:1) gewählt hat, ist das natürlich egal, das sieht man dem Bild eh nicht an. Aber beim üblichen 4:3 Format oder gar 16:9 kommen doch so manche Motive “zu kurz” oder “zu lang” rüber, je nachdem, wie man es betrachtet. Und Videos in Hochkant scheint eine echte Handy-Seuche zu sein. Aua, sieht dann toll aus auf dem Fernseher. :) Aber ich schweife ab.

ProCamera App

Am linken Bildrand meiner Kamera-App sieht man u.a. ein kleines Live-Histogramm und die Anzeige der Belichtungskorrektur. Die Belichtungskorrektur kann man an der rechten Seite mit Hilfe der Skala einstellen. Den Effekt dieser Einstellung sieht man live. Das Fadenkreuz in der Mitte ist eine Wasserwaage. Der grüne Strich zeigt an, dass das Gerät in dieser Richtung gerade gehalten wird, also nicht nach rechts oder links gekippt ist. Der senkrechte Strich wäre auch grün, wenn das Gerät nicht nach vorne oder hinten gekippt wäre.

 

Außerdem sieht man eine Fokusmarkierung (blaues Quadrat) und eine Belichtungsmarkierung (gelber Kreis). An diesen Stellen wird fokussiert bzw. die Belichtung gemessen. Wenn man auf das Display tippt, werden beide Markierungen auf die entsprechende Stelle gesetzt. Der Autofokus setzt ein, nach dem Fokussieren wird der Fokus festgehalten (Fokus-Lock) und ändert sich nicht mehr, auch wenn man das Gerät schwenken würde. Man kann beide Markierungen mit dem Finger verschieben. Entsprechend ändert sich nochmal der Fokus und die Belichtung.

 

Wie gesagt, das sind Merkmale der von mir verwendeten Kamera-App. Wenn Sie Ihr Gerät zur Hand nehmen, sieht die Benutzeroberfläche “Ihrer” Kamera-App vermutlich total anders aus. Viele Merkmale werden Sie vielleicht von Ihrer Kamera her kennen. Bis auf die feste Blende und feste Brennweite und natürlich die technischen Beschränkungen wegen dem kleinen Sensor und der kleinen Linse sind die Unterschiede meiner Meinung nach nicht allzu groß. Und genau wie eine Kamera behandle ich mein Gerät auch, wenn ich fotografiere. Ich halte es möglichst ruhig, versuche die Belichtung optimal einzustellen, kontrolliere den Fokus-Punkt usw.

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Was gibt es noch?

Die von mir verwendete Kamera-App bietet aber noch mehr Funktionen. Ich möchte die jetzt nicht in allen Einzelheiten hier breittreten, sondern nur mal auflisten.

  • Manuelle Einstellung von ISO, Verschlusszeit, Weißabgleich per Graukarte möglich. Auch Halbautomatik (ISO einstellen, Verschlusszeit automatisch, oder umgekehrt)
  • Langzeitbelichtung über die technische Grenze 1/3s hinaus. Das geht durch Überlagerung mehrerer Bilder, die schnell hintereinander gemacht werden und anschließend automatisch übereinandergelegt, deckungsgleich ausgerichtet und dann verrechnet werden. Rauschen wird dabei auch deutlich verringert. Klappt oft sogar Freihand, wenn man ruhig steht.
  • HDR Aufnahmen durch Überlagerung von drei oder fünf Bildern mit unterschiedlicher Belichtung. Klappt nicht bei jedem Motiv gut, aber oft ist man positiv überrascht. Klappt auch Freihand sehr gut.
  • Videoaufnahmen in variablen Auflösungen und Bildraten. In Verbindung mit der optischen Bildstabilisierung traumhaft ruhige Bilder.
  • Erstellte Bilder können in der App auch gleich bearbeitet werden, z.B. drehen, Ausschnitt machen und die übliche Batterie an Werkzeugen für Helligkeit, Kontrast usw.

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Des Weiteren können andere Kamera-Apps das Fotografiererlebnis noch erweitern. Z.B. gibt es Kamera-Apps, die nur Schwarz-Weiß Bilder machen und der Sucher auch nur ein Live-Schwarz-Weiß-Bild darstellt. Man sieht also direkt das Ergebnis, wenn gewünscht auch mit einem quadratischen Format. Sogar die Farbfilter, die gerne bei S/W-Fotografie benutzt werden um z.B. den Himmel kontrastreicher zu machen, können simuliert werden.

 

Zu Bildbearbeitung allgemein noch ein Wort. Ich bearbeite Bilder des Öfteren nach. Dazu verwende ich zur Zeit eine App namens Enlight. Dies eine ziemlich vollständige Bildbearbeitungsapp, die sowohl auf dem iPhone als auch dem iPad läuft. Ich werde gerne mal auf die App zurückkommen und hier vorstellen.

 

Uff, geschafft, der Artikel ist doch recht lang geworden. Ich hoffe, ich habe Sie nicht gelangweilt und Ihnen einen interessanten Einblick geben können in die Fotografie mit dem Handy. Vielen Dank fürs Lesen. Und wenn Sie Fragen oder Anmerkungen haben sollten, bitte sprechen sie mich einfach an. :)

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Geschrieben von:

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Michael Koch

Ich fotografiere rein hobbymäßig seit Jahren mit einem Smartphone. Davor habe ich SLR-Film und DSLR verwendet. Ich finde meine Themen auf der Straße oder beim Spaziergang in der Landschaft.

5 Kommentare

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  • Ein toller Artikel, Michael, der auf jeden Fall Interesse nach mehr weckt! Ich glaube, Handy-Fotografie ist eine ebenso große Herausforderung wie die Fotografie mit der DSLR oder jeder anderen Kamera. Ich kann es nicht, habe mich auch ehrlicher Weise, bisher kaum damit beschäftigt, aber werde bei Deinen hoffentlich noch folgenden Artikeln sehr interessiert weiterlesen!
    LG
    Britta

  • Michael,
    ein starker Artikel und sicherlich eine gute Werbung für Handy-Fotographieren!
    Die beste Kamera ist doch die, die man gerade dabei hat.
    Ich habe eine große DSLR, von daher hatte ich nie die Motvation mich eingehender mit der Handyfotographie zu befassen, und einfach drauf los knipsen liefert genau so gute (oder schlechte) Bilder wie bei jeder anderen Kamera auch.
    Die Fotos, die du zeigst, sprechen aber ganz klar dafür, es mal mit dem Handy zu versuchen!
    Grüße
    Chris

  • MIchael,

    ein wunderbar detaillierter Artikel, der gut zeigt was möglich ist. Dazu diese schönen Bilder und Streifen – perfekt. Vielen Dank, Peter

    • Sehr gerne, aber wir vermissen Deine tollen Berichte und Fotos mit dem iPhone. Bitte schreib mal wieder über das Fotografieren mit dem iPhone.
      Herzlich, Peter

Peter Roskothen - Journalist für Fotografie, Fotograf, Fototrainer

Willkommen bei *fotowissen sagt Peter Roskothen im Namen aller Autoren.

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