Vorgestellt: Fotograf Kosuke Okahara
Kosuke Okaharas Arbeiten sind mit vielen angesehenen Preisen ausgezeichnet worden, darunter unter Anderem mit dem World Press Photo Award (2009), dem Sony World Photography Award (auch 2009) und dem Getty Images Grants für redaktionelle Fotografie (2012). Seine Biografie besticht ebenso durch unzählige Ausstellungen quer durch Asien und Europa.
Seine sozial- und gesellschaftskritischen Themen zwingen den Betrachter zur Auseinandersetzung mit aktuellen und in Vergessenheit geratenen Fragestellungen. Besonders beeindruckt hat mich sein Projekt „Ibasyo“, für welches er von 2004 bis 2011 recherchierte und fotografierte. Er dokumentierte das Leben 6 junger Japanerinnen, die im Bereich der Selbstverletzung und Verstümmelung den einzigen Weg sehen, um mit ihren Problemen umgehen zu können. Okahara hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses verschwiegene und verheimlichte Phänomen an den Tag zu bringen und der Gesellschaft vor Augen zu führen.
Da Okahara keinen Verleger für dieses Projekt fand, hat er 6 Bücher im Selbstverlag veröffentlicht, die seitdem durch die Welt reisen und von Hand zu Hand, von Freund zu Freund weitergegeben werden. Leere Seiten lassen Raum für persönliche Notizen der Betrachter und machen jedes Buch zu einem einmaligen und überaus sensiblen Werk. Soviel zum Thema „persönlicher Einsatz“ des Fotografen, der hier einen ganz individuellen Weg geht und tief im humanistischen Fotorealismus verwurzelt ist.
In seinem neuesten Projekt Fukushima Fragmente befasst er sich mit den langfristigen Folgen des Atomunglücks von 2011. Okahara dokumentiert durchgängig in schwarzweißen Bildern die Langzeitfolgen der enormen Strahlenbelastung für Menschen und Landschaft. Seinerzeit lösten ein Erdbeben mit folgendem Tsunami die nukleare Katastrophe im Kernkraftwerk Daiichi aus. Obwohl die Regierung den Umkreis von 20 km zum Sperrgebiet erklärte, leben bis heute Menschen dort, die sich der Umsiedlung nicht angeschlossen haben. Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Zum Einen hat man Angst vor dem Wegfall möglicher Schadensersatzansprüche , die mit einem Umzug verbunden sein könnten. Zum Anderen sind die langfristigen gesundheitlichen Folgen gerade für die ältere Bevölkerung nicht absehbar, so dass man es auch unter finanziellem Aspekt für sicherer hält, vor Ort zu leben. Bleibt noch als letzter Grund die persönliche Verwurzelung mit Fukushima in der die Menschen in teils vielen Generationen aufwuchsen.
In weiten Teilen der Region ist das Leben trotz Ausnahmezustand zur Normalität geworden. Okahara dokumentiert detailliert in seinem neuesten Buch Fukushima Fragmente. Frankreich: Editions de la Martinière. 2015 die teils unwirklichen Lebensbedingungen derer, die den Schritt in ein neues Leben nicht wagten oder wagen konnten. Er hat die wohl umfangreichste fotografische Chronik der Entwicklung rund um das zerstörte Atomkraftwerk in der Region Fukushima erstellt. Auf seinen Bildern scheint die Zeit still zu stehen, repräsentativ für die Geschwindigkeit des Abbaus der Strahlenbelastung in der Region.
Fukushima Fragmente zwingt zum Hinsehen und zur Auseinandersetzung mit dem jederzeit möglichen, atomaren Super-GAU, den wir Menschen unserem Planten und damit auch uns selbst zumuten. Durch seine schwarzweiß Fotografie schafft er einen intensiven, intimen und fast schon schmerzenden Zugang zu einer Region und zu menschlichen Schicksalen, die schon bedrohlich in Vergessenheit geraten sind. Die durch ihn gewährten Einblicke verstören und machen betroffen zugleich. Daher empfehle ich den Besuch auf Okaharas Webseite: www.kosukeokahara.com
© Maike Lehmann stellt vor: Fotograf Kosuke Okahara *fototipp
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