Ich bin Jahrgang 1999. Mein Heranwachsen ist eng verbunden mit dem obersten Mantra dieser Zeit: Digitalisierung.
In der Schule, in Vereinen, in der Freizeit; überall war der Wunsch nach ihr präsent. Aus heutiger Sicht wuchs sie gewissermaßen parallel mit mir.
Aufgewachsen bin ich also irgendwo zwischen Omas Kabeltelefon mit Drehscheibe sowie dem allerneuesten iPhone. Manche Altersgenossen hatten ihr erstes Handy mit 18, andere mit 8. Manche sind Vollzeit auf Instagram unterwegs, andere fragen mich, wo man denn nochmal heruntergeladene Dateien auf dem PC findet. Die Differenz im Umgang mit Sozialen Medien ist groß.
Inhaltsverzeichnis
Fotografie und soziale Medien wie Instagram
Dass Instagram & Co. in der breiten Masse bereits völlig etabliert sind, ist klar. So werden rund 95 Millionen Beiträge täglich auf Instagram hochgeladen. Eine Zahl, welche auch jeden Fotografen zunächst aufhorchen lässt – und die Gemüter spaltet. Manche verweigern aktiv; bei so einer Unzahl an Beiträgen weiche die Qualität der Quantität und der Erfolg von Inhalten hänge eher vom Befriedigen der Algorithmen als eigentlicher Leistung ab. Andere wiederum nutzen diese Möglichkeiten um sich zu vernetzen, Reichweite zu schaffen und sich ein digitales Portfolio zu erstellen.
In diesem Artikel möchte ich näher auf die Rolle der Sozialen Medien für Medienschaffende eingehen und erläutern, warum ich diese nicht mehr verteufel, sondern vielmehr meine eigene Umgehensweise damit gefunden habe und in mein Da-Sein als Journalist und Fotograf einbaue.
Schauplatz Bahnsteig
Es ist ein stinknormaler Dienstag, wartende Menschen am Bahngleis. Leere Blicke nach unten. Ein sanft auf dem Display nach oben streichender Daumen – es wird gescrollt. Wieder einmal ertappe ich mich dabei, wie ich die Menschen um mich herum heimlich studiere.
Wer schafft es, die 5 Minuten Wartezeit ohne Blick aufs Handy zu überbrücken? Kaum einer. Das finde ich schade. Gewiss versteht es sich nicht als bürgerliche Pflicht, am Bahnsteig innige Freundschaften zu schließen oder im Himmel nach Wolkenmustern zu suchen.
Dennoch sind dies wichtige Aspekte für mich – auf gesellschaftlicher wie auch persönlicher Ebene.
Die Wartenden schauen sich auf sozialen Medien Profile anderer Menschen an, scheinbar in Vergessenheit darüber, dass sie doch umgeben von realen Profilen sind. Sogar mit ganz authentischen und tagesaktuellen Profilbildern und einer Möglichkeit zur Kontaktaufnahme, die noch hautnaher ist als ein ,,Videocall“. Anlächeln, Anquatschen. Das gibts noch!
Gleiches gilt für das Beispiel der Wolken. Bevor man die Schönheit des eigenen Bahnsteigs mit den auf Instagram kursierenden Urlaubsbildern der Freunde vergleicht, kann man sich selbst mal umschauen. Zugegeben, als Kölner wird es einem nicht leicht gemacht, Schönheit an Bahnsteigen zu finden. Aber es gibt sie, und beim Suchen danach fängt sie an.
Konsum statt Kreativität
Wir sind so daran gewöhnt, dass Inhalte jederzeit zu uns kommen und verlernen darüber, selbst danach zu suchen. Gehe ich auf Instagram, werden mir, ganz ohne eigenes Tun, tolle Dinge vorgeschlagen. Ich muss mir keine Gedanken darüber machen, was ich überhaupt sehen mag, in meinem Kopf pflanzt sich die Gewissheit ein: Ich kann jederzeit etwas Tolles sehen, ich muss nur auf mein Handy gucken.
Während mir diese allgemeinen Verhaltensmuster Sorgen bereiten, bedeutet dies zeitgleich aber auch nicht, mich vor dieser Entwicklung ganz zu versperren.
Der eigene Umgang entscheidet
Ich nehme also einige Auswirkungen unserer digitalen Welt wahr, welche ich nicht gutheiße. Dennoch gilt es für mich, diese „Bahnsteig-Beobachtungen“ auch losgelöst von den sozialen Medien zu betrachten und diesen nicht sämtliche Schuld zuzuweisen. Die Digitalisierung ist eben kein kleines Kind mehr, sie ist fest verankert in unserem Alltag. Immer erreichbar, immer vergleichbar.
Das ist ein Stand unserer Gesellschaft, welcher sich nicht mehr ändern lässt. Was sich ändern lässt, ist, wie wir diesen Stand in unser Leben integrieren. So ist das ,,Bahnsteig-Scrollen“ für mich lediglich das Ende eines Entscheidungs- und Handlungsprozesses, welchen wir selbst bestimmen.
Ich will es mir gar nicht erlauben, allgemein zu beurteilen, ob ein in die Wolken schauen nun ,,besser“ ist als einen Live-Stream vom Sonnenuntergang aus den Malediven in Full HD. Wenn es jemanden gibt, dem Zweiteres innere Seelenruhe gibt, soll es so sein. Was ich aber beurteilen kann, ist, was für mich besser ist und demnach zu handeln.
Gefühlter Wandel mit Sozialen Medien
Vor ein paar Jahren fühlte ich mich von den sozialen Medien erdrückt. Oberflächlichkeit, mangelnde Authentizität und jede Menge ,,Schwachsinn“. Mich diesen Dingen täglich auszusetzen, zog mich runter. Konsequenz: Profil gelöscht.
Ich habe danach nichts vermisst und war erfreut darüber, ohne zu leben – bis ich wieder auf Reisen war. Immer wieder traf ich spannende Menschen, immer wieder verneinte ich das Führen eines Instagram-Kanals.
Irgendwann war ich dessen Leid und kam auf die Idee: Ich mach mir ganz heimlich ein Profil, nur reserviert für interessante Bekanntschaften unterwegs. Mein erster ,,Follow”: Die Dame, welche mich per Anhalter in Tschechien mitnahm. So füllte sich mein Profil zunehmend mit Inhalten, welche mich interessieren und mir nicht das Gefühl geben, meine Zeit zu stehlen. Wichtig war hierbei für mich: Das Stummschalten aller Profile sowie aller Benachrichtigungen der App. Ich suche mir aus, wann ich mit dem Medium konfrontiert werden möchte und auch, was ich dort sehe.
Unterwegs haben sich mit dieser Vorgehensweise immer wieder interessante Dinge durch die sozialen Medien ergeben. Ich muss nicht täglich wissen, was die Dame aus Tschechien so macht. Ab und zu denke ich jedoch an sie und bin erfreut darüber, die Möglichkeit zu haben, sie zu kontaktieren.
Genau hier schließt sich für mich auch der Kreis zur Fotografie.
Soziale Medien bieten Chancen
Ein Portfolio aufbauen, mit anderen Fotografen in Kontakt treten, Inspiration einholen. Instagram bietet einige interessante Möglichkeiten in der Fotografie. Für Aufträge werde ich oft nach einem Instagram-Profil gefragt, wenn es um Referenzen meiner Arbeit geht. Es hat eben eine gesellschaftliche Relevanz.
Gleichzeitig suche ich mir selbst aus, wie aktiv ich es nutze. Klar weiß ich, dass ich durch tägliches Posten vom Algorithmus bevorzugt werden würde. Doch, da entscheide eben ich selbst, ob es mir das wert ist. Somit muss mein Instagram-Account gar nicht darauf ausgelegt sein, möglichst ,,beliebte“ Inhalte zu haben oder neuesten Trends zu folgen. Es kann eine simple Repräsentation meiner Arbeit, wie auch meiner Selbst sein.
Brauchen wir deswegen Instagram? Keineswegs. Birgt es die Gefahr, selbst zu einem Bahnhof-Zombie zu mutieren? Definitiv. Kann man es dennoch zu seinem Vorteil nutzen? Ja! Ich finde es eben toll, dort Kontakte aus der ,,Szene“ zu sammeln, mich mit ihnen auszutauschen oder mir neue Veröffentlichungen anzugucken. Das ist kein Ersatz für analogen Austausch, aber eine sinnvolle Ergänzung für mich.
Genau das ist auch der ,,Casus Knacksus“ dieses Artikels: Die sozialen Medien kommen mit einigen Gefahren einher und ich will niemanden, der glücklich ohne lebt, vom Gegenteil überzeugen. Allerdings kann es, gerade aus Sicht eines Medienschaffenden, durchaus Sinn machen, seinen eigenen Umgang damit zu finden und spannende Vorteile für sich herauszuziehen.
Dafür bedarf es Selbstdisziplin und regelmäßiges Reflektieren des eigenen Social-Media-Verhaltens. Zugegeben: klappt mal besser, mal schlechter.
Ein sicherlich kontroverses Thema, welches sich noch viel tiefer betrachten lässt.
Lassen Sie mich gerne wissen, was Sie anders sehen oder wo meine Gedanken und Beobachtungen an ihre Grenzen gekommen sind.
Vielen Dank fürs Lesen,
Laurenz
© Laurenz Jochheim – Du entscheidest was Instagram für dich ist
Pixelfed – Die bessere Alternative zu Instagram >>
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Schöner Artikel, danke dafür! Ich vermisse aber zwei Aspekte: a) Datenschutz allgemein und b) USA-Firmen-Abhängigkeit. Hier meine Anregung dazu: Warum muss es Instagram sein, warum nicht stattdessen Pixelfed? Diese Plattform bietet schöne Fotos, kein Spam, auf Wunsch Vernetzung, ist kostenlos, usw.
Hallo Laurenz,
ein schöner Artikel zum Reizthema Nr. 1, und den hast du aus meiner Sicht bestens dosiert. Ich finde es gelungen, den Fächer der Möglichkeiten aufzuziehen, und immer dabei zu betonen, dass es um nichts, als die eigene Nutzung, das Maß eigenen Einlassens geht. Ich kann mir daher super ein Bild machen, wie deine Umgangsweise aussehen mag, und was deine Vorteile darin sind.
2 Dinge möchte ich gerne im Hinblick auf Instagram beschreiben, die meiner Erfahrung entspringen, und die letztlich dazu geführt haben, der Plattform adé zu sagen.
Da wäre der Umstand der Reihenfolge. Instagram (oder vergleichbare Plattformen) drehen die Reihenfolge um. Aus der gängigen Weise, etwas zu tun, zu schaffen, zu kreieren, und anschließend zu überlegen, wie es an die Öffentlichkeit gelangt, und warum, geschieht Folgendes: Die Handlung folgt der Überlegung, was optimaler Weise für Social Media lohnend und sinnvoll ist. Das ist sicher von-bis ausgeprägt, hat sich aber dermaßen etabliert, dass zumindest ich es bedenklich finde.
Das andere ist das Verhältnis aus eingebrachter Energie und messbarer Resultate, die ausschließlich mit Nutzung von Social Media in Verbindung zu bringen wären. Auch da ist sicherlich eine große Unterschiedlichkeit der Betrachtung zu sehen – für mich war es ziemlicher Käse.
Dennoch ist meine Denke über Insta & Co versöhnlich, weil ich weiß, dass viele super angenehme Leute dort zu finden sind, denen dieses Medium nützt, oder mindestens gut gefällt.
Vielen Dank jedenfalls für die Lanze, die du mal dafür gebrochen hast, coole Sache.
Beste Grüße aus Siegen,
Dirk Trampedach
Hallo Laurenz,
Du beschreibst sehr gut, wie Du selbst Insta und Co. nutzt.
Ich habe nichts davon in Gebrauch, ich habe noch nicht mal ein smartphone! Vermisse ich was? Nein!
Neulich hatte ich Gelegenheit hinter einer Gruppe Erwachsener zu sitzen, die die typische Kopf- nach- unten- Haltung hatten und auf ihren Handy wischten! Ich konnte ihnen über die Schulter schauen: Bilder von Mahlzeiten, Klamottenangebote, Platten- Label….und so ging das im Sekundentakt. Dann: Handy kurz weggesteckt, scheuer Blick nach vorn und zack: reflexartig Handy wieder raus und alles ging von vorne los und zwar mit den selben Inhalten! Voll verrückt, finde ich!
Ich glaube, dass man damit Kommunikation verlernt, dass man Blickkontakt verlernt und natürlich nichts von der Umgebung mitbekommt (mitbekommen will?). Gesteigert wird das noch mit Kopfhörern- klares Signal: “Sprecht mich nicht an!”. Aber auf der anderen Seite: privater Exhibitionismus mit Posten von Bildern aus allen Lebensbereichen 24/7!
Aber Du hast Recht: jeder soll für sich entscheiden, wie er mit social media umgeht. Bis jetzt sehe ich für mich persönlich darin keinen Mehrwert.
Herzliche Grüße
F.Seeber
Hallo Laurenz,
ein gelungener Artikel, dafür vielen Dank. Du hast das Thema gut beleuchtet und Deinen Umgang mit Insta verständlich erklärt. Klasse und DANKE!
Persönliche, private Meinung:
Nun haben wir in den USA einen weiteren Diktator mit seinen Schergen sitzen, die mich sehr an Hitler, Göbbels, Himmler und Co. erinnern. Mittendrin viele Mitläufer wie Zuckerberg, der bereits braune Ohren hat, weil er seine Firma schön nach diesen politischen Terroristen ausrichtet. Kurz zur Erinnerung:
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Was passierte rund um Facebook & Trump?
1. Cambridge Analytica-Skandal (2018, aufgedeckt während Trumps Präsidentschaft)
Die Daten von rund 87 Millionen Facebook-Nutzern wurden ohne deren Wissen abgegriffen.
Diese Daten nutzte Cambridge Analytica, um gezielte politische Werbung zu schalten – unter anderem zugunsten von Trump im Wahlkampf 2016.
Zuckerberg wurde vor dem US-Kongress angehört, um sich zu verantworten.
Dies war ein weltweiter Wendepunkt für das Thema Datenschutz auf sozialen Netzwerken.
2. Fake News & Algorithmuskritik
Facebook wurde vorgeworfen, während der Wahl 2016 und darüber hinaus Desinformation und Falschmeldungen nicht wirksam genug bekämpft zu haben.
Besonders scharf kritisiert wurde die Verstärkung polarisierender Inhalte durch den Facebook-Algorithmus.
3. Verhältnis zu Trump & Content-Moderation
Während Trumps Amtszeit wurde Facebook wiederholt beschuldigt, Desinformation und Hassrede von Trump zu lange unkommentiert stehenzulassen.
Nach den Ausschreitungen am 6. Januar 2021 (Kapitol-Sturm) wurde Trumps Facebook-Konto gesperrt, zunächst unbefristet, später für zwei Jahre, mit möglicher Rückkehr (die zwischenzeitlich auch erfolgte).
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Entsprechend habe ich meinen Facebook und Insta-Account vor Wochen gelöscht, um ein deutliches Zeichen zu setzen.
Mir ist klar, dass überall auf der Welt viele Menschen einfach mitlaufen oder sich keine Gedanken machen. Insofern empfinde ich die Haltung der Kanadier vorbildlich, die Ihre Urlaube in den USA storniert haben, keine US-Produkte mehr kaufen und alle US-Produkte als solche gekennzeichnet in den Regalen herumstehen.
Diese Art von Solidarität für unser eigenes Wohl können wir uns vielleicht mehrheitlich noch nicht vorstellen. Immerhin haben einige Menschen darüber nachgedacht, ob sie weiter in den Autos von Musk fahren wollen. Im Januar 2025 waren es fast 60 % Umsatzeinbruch bei dem Konzern in Deutschland. Ich denke, das spricht eine deutliche Sprache und trifft diesen Unterstützer von Trump bei seinem Geld, also im Schwarzen.
Was ich damit meine, ist, dass man sich genau überlegen muss, ob man bei Meta, Facebook und Instagram überhaupt einen Account haben darf, denn daran verdienen genau diejenigen, die dort gerade den Wirtschaftskrieg mit uns anzetteln, gutheißen und unser Geld zerstören (Rezession).
Ich habe meine Entscheidung getroffen und die bleibt auch nach Trump bestehen. Es gibt hervorragende Alternativen zu Meta und Tesla. Instagram können wir mit Pixelfed ersetzen.
Herzlich Peter
Hallo Laurenz,
im Gegensatz zu dir bin ich mit diesen Medien nicht aufgewachsen und meine geringen Erfahrungen damit sind eher schlecht. Zeitaufwand und Nutzen stehen für mich persönlich in keinem guten Verhältnis und deswegen kann ich gut ohne…Gestern war ich bei einem Fotowalk in Freiburg und bin dabei ins Grübeln gekommen. Der Austausch der Kontakte, das Kennenlernen der fotografischen Arbeit funktioniert fast nur über Facebook und Instagram. Ich musste die Kontakte in mein Adressbuch im Handy schreiben, was einfach zu langsam war. Ich muss zugeben; ich war versucht Stift und Papier zu zücken…und ich kam mir kurz vor wie ein Dinosaurier. Ich werde mir wohl nochmal Gedanken machen zu diesem Thema.
Danke für deinen Artikel und Gruß,
Michael