Wie fängt man ein Leben ein, vor allem eines so bewegt wie das von Fotografin Lee Miller? Selbst ein abendfüllender Spielfilm kann das nicht, also beschränkt man sich auf die Essenz einer Person, das Besondere, das Einzigartige, was sie geschaffen, erreicht oder hinterlassen hat.
In Ellen Kuras‘ Kinofilm „Die Fotografin“ spielt die großartige Kate Winslet eben jene Lee Miller, über dessen Leben sich sicherlich eine ganze Serie machen ließ. Der Film fokussiert sich jedoch ausschließlich auf Millers Arbeit als Kriegsberichterstatterin im 2. Weltkrieg und wie sie als einige der wenigen Frauen überhaupt bis an die Front kam.
Wenn Bilder in Erinnerung bleiben – Rezension von „Die Fotografin“ von Ellen Kuras
Wenn man sich mit Lee Millers Leben nicht ein wenig im Vorfeld befasst hat, wird man vielleicht nicht ganz verstehen, warum Miller im Film zunächst bei Vogue anfragt, um als Kriegsreporterin eingestellt zu werden oder warum sie mitunter ein wenig bitter wirkt.
Doch es wird schon in den ersten Szenen und der Begegnung mit ihrem späteren Ehemann, Künstler Roland Penrose (Alexander Skarsgård) klar: Diese Frau nimmt kein Blatt vor den Mund, stellt sich quer und wird doch auch leidenschaftlich geliebt. Sie ist eine Frau, die aus dem Rahmen ihrer Zeit zu fallen scheint, sich nicht von klassischen Rollenbildern definieren lässt und wenn nicht nur der Welt da draußen auch vor allem sich selbst etwas beweisen will.
Der Film zeigt auch die (mitunter fiktionalisierten) Entstehungsgeschichten einiger ihrer Fotoarbeiten und wie es sich für eine Dokumentarfotografin gehört, hat Lee Miller fast immer ihre Rolleiflex Mittelformatkamera einsatzbereit um ihren Hals hängen. Als dann David E. Scherman (stark gespielt von Andy Samberg) in ihr Leben tritt und sie durch die dunklen Jahre des Krieges treu begleitet, ist der Film auch eine Hommage an die Freundschaft und das Teilen der Leidenschaft für die Fotografie. Gemeinsam ziehen sie durch die Ruinen Europas, erleben sowohl die Gefühle der Euphorie als auch den tiefen Schmerz, die das Ende des Krieges mit sich bringen. Und halten alles fest.
Doch eines macht „Die Fotografin“ sehr eindrücklich klar, auch eine starke Frau wie Lee Miller konnte sich dem Leid und Schrecken des 2. Weltkrieges nicht entziehen. Der deutsche Titel trägt den Untertitel „es gibt Wunden, die man nicht sieht“, was sehr passend ist. Denn der Unterschied zu einem Kriegsveteranen ist, dass für Lee Miller die Schreckensbilder des Krieges nicht nur in Erinnerung blieben, sondern auch auf Tausenden Abzügen und Negativen, die sie bis zu ihrem Lebensende sogar vor ihrem Sohn Antony (Josh O’Connor) zu verstecken versucht. Doch es ist dank Antonys Neugier und Unablässigkeit, dass wir überhaupt über Lee Millers Schaffen berichten können. Denn im echten Leben war er es, der ihre Werke nach dem Tod seiner Mutter auf dem Dachboden der Familienfarm entdeckte und schließlich nach und nach veröffentlichte. Es lohnt sich daher auch etwas länger im Kino zu bleiben, denn im Abspann werden einige ihrer original Bilder gezeigt.
„Die Fotografin“ ist sicherlich kein Gute-Laune-Film, doch ein bedeutungsvolles filmisches Porträt, das Respekt gegenüber der Person Lee Millers zeigt. Der Film beschreibt sehr eindrücklich, was sie sich selbst ausgesetzt hat, um der Nachwelt zu zeigen, was sie gesehen hat, auch wenn sie den Rest ihres Lebens mit diesen Erinnerungen zu kämpfen hatte. Kate Winslet brilliert mit ihrer schauspielerischen Tiefe und Stärke und auch dem sonst für Komödien bekannten Andy Samberg nimmt man die Rolle des jüdischen David E. Scherman glaubhaft ab.
Und wenn man die Thematik des Films auf die aktuelle Situation in Deutschland, Europa und dem Rest der Welt überträgt, ist es ebenso ein Film, der aufzeigt, wie wichtig es ist hinzuschauen, zu hinterfragen und sich einzusetzen, damit solche Bilder keine Menschenseele mehr plagen können.
Alle Fotos: sky
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© Karoline Hill – Wenn Bilder in Erinnerung bleiben – Rezension von „Die Fotografin“ von Ellen Kuras
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