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Der Pott – *buchrezension Bildband

Achim Bednorz, Walter Buschmann: Der Pott. Industriekultur im Ruhrgebiet. Koenemann Verlag 2020
Achim Bednorz, Walter Buschmann: Der Pott. Industriekultur im Ruhrgebiet. Koenemann Verlag 2020

„Der Pott“: Prachtvoller Bildband über die Industriekultur des Ruhrgebiets in einer faszinierenden Fotosprache

„Kerr, dat iss vielleicht n Kawenzmann!“ würde man im Revier wohl sagen. 640 Seiten stark, gute fünf Kilogramm schwer ist der opulente Bildband „Der Pott – Industriekultur im Ruhrgebiet“. Zwischen den Buchdeckeln steckt eine Bestandsaufnahme der bedeutendsten und markantesten Zeugen einer Epoche, die über 200 Jahre das Ruhrgebiet bestimmt hat. Zweieinhalb Jahre hat Architekturfotograf Achim Bednorz daran gearbeitet. Entstanden sind Dokumentation und Zeitreise zugleich, deren Bilder die Wucht der Geschichte einfangen – und eine ganz eigene Sprache sprechen. Der Bildband ist im Könemann Verlag erschienen und ein „Must-have“, sowohl für Fans der Architekturfotografie als auch Hobbyhistoriker. Auch wenn man zum darin Schmökern einen soliden Tisch braucht.

Der „Pott“, wie man im Ruhrgebiet liebevoll sagt, ist eine industriehistorisch einzigartige Region. Geprägt von fauchenden Anlagen, zischenden Hochöfen, rauchenden Schloten, rußgeschwärzten Gesichtern, stählernen Fördertürmen, pulsierenden Maschinenhallen. Die Bezeichnung ist Programm: Das Revier – „tief im Westen Deutschlands, dort wo die Sonne verstaubt“ – war Maloche, Grubenlampen und Henkelmännchen. Vieles davon ist inzwischen Geschichte. Dieses Leben zeigen Achim Bednorz‘ Bilder aber nicht.

Die Ästhetik der fotografierten Objekte

Dem Architekturfotografen, der schon über 35 Bildbände zur Kunstgeschichte veröffentlicht hat, geht es um die Ästhetik der fotografierten Objekte. Verwaiste Hallen, verlassene Maschinen, verrußte Stahlkonstruktionen, verstaubte Gerätschaften – immer sind seine Bilder menschenleer. Es scheint, als seien sie alle gerade erst gegangen, als sei die Zeit angehalten. Fast möchte man den leisen Pulsschlag des einstigen Lebens hören. Was auf den ersten Blick marode, nüchtern, nackt oder dokumentarisch wirkt, atmet und hat eine unbändige Strahlkraft.

Die Fotos von Achim Bednorz wirken wie Echokammern.

„Ich will zeigen, was da ist“, sagt Bednorz. „Und zwar genauso, wie unsere Augen es sehen.“ Wer jemals versucht hat, das Innere einer Kirche zu fotografieren oder die Erhabenheit eines monumentalen Gebäudes einzufangen, weiß, wie schwer das ist. Fotografieren heißt für Bednorz, mit Licht zu zeichnen. „Nehmen Sie die Details des Jugendstilfensters links in der Halle und die dunkelsten Schatten der Balken in der Dachkonstruktion. Das Auge nimmt beides gleichzeitig wahr, aber die Kamera kann das nicht“, erklärt der Fotograf.

Der Pott - Bildband – Foto: Achim Bednorz - *fotowissen *buchrezension

Belichtungen und Schärfe

Deshalb macht Bednorz, vom Stativ und derselben Position aus, eine Reihe von Aufnahmen mit verschiedenen Belichtungen und manuellen Schärfeebenen. Jede Schärfeebene stellt er manuell mit der Entfernungseinstellung am Objektiv ein.

Der Pott – Industriekultur im Ruhrgebiet - *buchrezension Bildband - Foto: Achim Bednorz
Der Pott – Industriekultur im Ruhrgebiet – *buchrezension Bildband – Foto: Achim Bednorz

„Ich will mit der Kamera das menschliche Sehvermögen nachahmen“, sagt Bednorz. „Durch die Bildebenen-Technik wird die Schraube am Förderkolben links vorn in nächster Nähe zum Betrachter genau so scharf, wie die grünen Bäume, die durch die Fenster hinten in der Halle leuchten.“ Die Details setzt er am Rechner in einem Fotobearbeitungsprogramm aus den verschiedenen Ebenen zu einem Bild zusammen.

Um die kathedralähnliche Dimension des Gasometers in Oberhausen, dem größten in ganz Europa, erkennbar zu machen, hat Bednorz die wie Miniaturfiguren wirkenden Menschen auf der Treppe nachträglich eingesetzt. „Ich habe in diesem Fall die Personen in der entsprechenden Größe eingesetzt, um das Größenverhältnis – das Innere des Gasometers ist 100 Meter hoch – darzustellen“, erklärt er.

In seinen Fotos fängt Achim Bednorz das leise Raunen der Zeit ein.

Licht und Schatten

Wenn einfallendes Licht blendet, die Linien stürzen oder der Raum in seinen Dimensionen verzerrt wird, greift er zum Shift-Objektiv. Jedes Motiv braucht geduldige Kleinarbeit, den richtigen Sonnenstand, die passende Perspektive und das perfekte Zusammenspiel von Licht und Schatten, damit sich die Schönheit des Objekts in Bednorz‘ Bildsprache entfalten kann.

Der Pott – Industriekultur im Ruhrgebiet – Foto: Achim Bednorz

„Der Pott“ packt die Wucht der Geschichte zwischen zwei Buchdeckel.

Coffee Table-Book

„Der Pott“ ist kein leichtes Coffee Table-Book. Um sich in die Fotografien zu vertiefen und das leise Raunen der Zeit zu erspüren, braucht es schon einen soliden Couchtisch. Ähnlich wie seine Bildbände zur Kirchenarchitektur zum Standardwerk der Architekturfotografie gehören, hat der „Der Pott“ das Zeug zum Klassiker. Zweieinhalb Jahre Arbeit steckt in dieser Bestandsaufnahme der Industriekultur an Rhein und Ruhr. In alle Winkel der über 4.400 Quadratkilometer großen Region ist Bednorz gefahren, manchmal mehrmals, um architektonische Denkmäler und bauhistorische Kleinode abzulichten. So wird der Bildband, der Fotografie-Begeisterte in den Bann schlägt, zu einer Zeitreise, die auch Historikerherzen höherschlagen lässt.

Dafür sorgen auch die Texte von Walter Buschmann. Der ehemalige Landesdenkmalpfleger und Kunsthistoriker erläutert in knapp, aber kenntnisreich die architektonischen Besonderheiten von Gebäuden und Baustilen, von Anlagen und Maschinen. Zechen, Werkssiedlungen, Hochöfen, Gasometer, Maschinenhallen, Hafenanlagen, Brücken, Fördertürme, Lokschuppen und Kraftwerke sind geografisch sortiert und mit einem einleitenden Text versehen. In einzelnen zwischengeschobenen Kapiteln werden Funktionsweisen und technische Details von Bergwerken, Hochöfen oder der Stahlerzeugung anschaulich erklärt.

Der Pott - Bildband – Foto: Achim Bednorz - *fotowissen *buchrezension

Wer mit der Kamera gern dem morbiden Charme verlassener Orte nachspürt, sich für Stilepochen im Industriebau oder die Einzigartigkeit des Ruhrgebiets zwischen gestern und morgen interessiert, dem sei der „Der Pott“ ans Herz gelegt. Auch wenn das eigene fotografische Können an die Arbeit des Profis lange nicht heranreicht, lernen kann man von seiner Hommage in Sachen Bildgestaltung und Bildkomposition alle Mal. „Glück auf!“ würde man im Revier wohl wünschen.

Achim Bednorz, Walter Buschmann: Der Pott. Industriekultur im Ruhrgebiet. Koenemann Verlag 2020
Achim Bednorz, Walter Buschmann: Der Pott. Industriekultur im Ruhrgebiet. Koenemann Verlag 2020

Quellenangaben für alle Bilder: © obs/koenemann.com/Achim Bednorz

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Bitte von Peter Roskothen: Die Buchrezension war etwa 10 Stunden Arbeit inklusive Interview mit dem Autoren. Bitte honorieren Sie den Aufwand durch einen Blick auf die Webseite von Kira Crome und kaufen bitte über den Link, damit sich unsere Arbeit lohnt. Kira freut sich über Ihren konstruktiven Kommentar sehr. Vielen Dank an Sie! 

© Kira Crome, Journalistin und Schreibtrainerin – Der Pott – *buchrezension Bildband

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Kira Crome

Ich bin freie Fachjournalistin für alles, was mit Umwelt und Nachhaltigkeit zu tun hat. Schreiben und fotografieren hat viel miteinander zu tun: Ob Text oder Foto - immer geht es um die Geschichte, die damit erzählt wird. Wenn ich unterwegs bin, halte ich meine Eindrücke von Dingen und Menschen, denen ich begegne, nicht nur mit Stift und Notizblock fest, sondern auch mit der Kamera. Denn der Blick durch den Sucher schult den Blick für das Wesentliche. Von Peter Roskothen lerne ich, mich fotohandwerklich zu verbessern und die richtige Bildsprache zu finden. Mehr aus meinem Redaktionsbüro und meinem Schreibtraining-Angebot unter www.ecocontent.de.

4 Kommentare

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  • Liebe Kira,

    Die gezeigten Bilder sind hinreissend und lassen ein enormes Verlangen danach entstehen, das Buch zu kaufen. Alleine bereits aus Zeithistorischen Gründen.
    Der Preis ist ja unglaublich günstig, man mag es kaum glauben.

    Ist die Druckqualität denn tatsächlich so gut oder ähnlich gut wie bei Schirmer/Mosel und Steidl ?

    beste Grüße und herzlichen Dank für die ausführliche Rezension!
    DWL

    • Lieber DWL,
      ich habe mal eben durch meine Kunst- und Fotobände geschaut, ob ich die Druckqualität der Verlage nebeneinander gelegt direkt vergleichen kann. Leider kann ich Deine Frage so nicht beantworten. Es ist kein Hochglanz-Druck, wenn die Frage dahin geht. Dennoch finde ich, dass die Fotos eine unheimliche Wirkung entfalten. Und für den Preis…
      Ich hoffe, ich konnte trotzdem helfen.
      Beste Grüße in die Nachbarschaft ;-)
      Kira

  • Ja, das sind tolle Bücher, die sowohl fotografische Leckereien bieten, als auch Einblicke in Lebens-und Arbeitsbereichen, die längst über die Wupper (oder in dem Fall die Ruhr) gegangen sind. Meine frühen beruflichen Sporen habe ich mir teilweise mit Montagearbeiten in alten klassischen Stahlbetrieben im Ruhrgebiet verdient, und ich habe sofort den Lärm und die Gerüche in meinen Sinnen, wenn ich nur diese Fotos sehe. Und die herrlich erdigen Kurzkommentare. “Pause iss nich! Unn Kaffee is inne Kanne umme Ecke”.
    Vielen Dank für die eindeutig begeisterte Vorstellung des Bildbandes!

    Herzlich, Dirk Trampedach

  • Danke Frau Crome für die Vorstellung dieses Bildbandes. Ich liebe Industriekultur und das so perfekt abgebildet. der Preis hat mich überrascht, hatte ich doch mit deutlich mehr gerechnet.
    Das Buch steht auf meiner Wunschliste.

Journalist, Fotograf, Fototrainer Peter Roskothen

Willkommen bei *fotowissen sagt Peter Roskothen im Namen aller Autoren.

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