Es ist an der Zeit die Canon EOS R Pro und Contra zu betrachten. Die Kamera ist ein neues System für Canon und bricht mit den Spiegelreflexkameras der vergangen Jahre. Immerhin kann man noch alte Objektive daran verwenden. Was ist gut, was ich schlecht an der neuen Canon EOS R?
Canon EOS R Pro und Contra
Ich bin selbst ein ausgesprochener Canon-Fan gewesen, bevor Canon viele Jahre keine brauchbare spiegellose Systemkamera herausbrachte, die ich für professionelle Fotos nutzen kann. Dann kam zur Photokina 2018 die sensationelle Nachricht, dass Canon die EOS R entwickelte die ein neues Bajonett für neue Objektive bringt. Alte Objektive lassen sich mit Adaptern weiterhin verwenden. Wie gut die Bildqualität mit den alten Linsen ist, bleibt noch abzuwarten. Die neuen Objektive erbringen hervorragende Aufnahmen, so sagen Experten.
Die Kamera wurde lange von Canon geheim gehalten und erst zur Photokina 2018 veröffentlicht. Das war schon ein starker Auftritt. Leider stellte sich ganz schnell heraus, dass neben den vielen positiven Aspekten, auch einige echte Nachteile zu einer Sony Alpha 7 III oder eine Fujifilm X-T3, ja sogar zu einer X-T2 verbaut sind. Bringen wir etwas Licht ins Dunkel:
Schöne Fotos mit der EOS R
Ganz ehrlich: die Fotos der EOS R sagen nur aus, dass die Kamera funktioniert. Ein Profi und sehr guter Amateurfotograf macht mit jeder Kamera der Welt sensationelle Fotos. Davon darf man sich nicht blenden lassen. Es geht natürlich auch um die Qualität der Bilder, diese muss sehr gut sein im Jahr 2018. Aber es geht um sehr viel mehr. Zum Beispiel darum, wie die Kamera in der Hand liegt, wie gut der Sucher ist, wie gut das Klappdisplay funktioniert und vieles mehr.
Um die Kamera zu testen, hat Canon auf Kosten der Kunden mal eben ganz viele Profis nach Hawaii fliegen lassen. Das allein sollte einen guten Journalisten nicht beeinflussen. Damit sich diese Profis die Kamera ansehen konnten, hat man Ihnen die Kamera mit verschiedenen Objektiven in die Hand gegeben und sie fotografieren und filmen lassen.
Das Ergebnis waren Profis, die die Kamera kritisch sehen, und Profis, welche die Kamera loben. Das größte Problem entstand in meinen Augen ausgerechnet bei Tony Northrup, der beim Videodreh drei Fehler auf der von Canon zertifizierten SD-Karte erlebte. Doch dazu später mehr.
Die Vorteile der Canon EOS R
Die neue EOS R beitet viele Vorteile. Der große Griff gefällt vielen Menschen mit großen Händen, die keine kleinen Kameras mögen. Die Bildqualität ist ausgezeichnet. Der Autofokus mit Gesichtserkennung und Augenerkennung ist hervorragend in One-Shot AF (andere Kameras AF-S). Der Autofokus mit Gesichtserkennung und Augenerkennung bei AI-Servo AF (andere Kameras AF-C) soll per Firmewareupdate nachgerüstet werden.
Weiterhin ist der Sucher über jeden Zweifel erhaben, das Klappdisplay hervorragend und sogar per Touch zu bedienen. Toll auch die Idee, den mechanischen Verschluss beim Objektivwechsel gegen Staub zu schließen. Der programmierbare Objektivring, für zum Beispiel die Blendeneinstellung, ist eine hervorragende Idee.
Richtige Verkaufsargumente für Canon sind noch die hervorragende Menüführung der Kameras und der Spitzenservice in Willich am Niederrhein. Auch das große bestehende Objektivsortiment könnte dazu gehören, wenn denn die Bildqualität mit Adapter überzeugt. Das Letzte bleibt abzuwarten.
Contra Canon EOS R
Der fehlende Joystick ist vielen Canon-Fans bereits übel aufgestoßen. Meist ist es einfacher den Autofokus über diesen Stick zu steuern, als über das Touchdisplay. Was ist überhaupt im Winter? Wir haben in Deutschland etwa 5 Monate lang Handschuhe an. Wie lässt sich der Autofokus dann per Touchscreen bedienen? Was ist mit Hochformat? Da bricht man sich die Finger, um den Autofokus einzustellen. Um Himmels Willen Canon!
Schade, dass Canon einen zu kleinen Akkus nutzt, der schnell entladen ist. Die Serienbildgeschwindigkeit ist nicht zeitgemäß. Genauso die Videoeigenschaften der EOS R. Wer kein 4K mit 60 Bildern pro Sekunde anbietet und einen Cropfaktor aus dem Mittelalter implementiert, den kritisieren selbst die nach Hawaii eingeladenen Journalisten.
Die Videoeigenschaften (1.7x Crop bei 4K, …) der EOS R sind ein Witz. Die Kamera hätte mit dem Klappdisplay viele Vlogger interessiert (auch wenn sie viel zu schwer ist, um sie mit ausgestrecktem Arm zu halten). Die Serienbildgeschwindigkeit ist vier Jahre zurück. Oder sind das 40 Jahre?
Und damit sind wir schon beim größten Manko der Canon EOS R, den Tony Northrup schmerzhaft feststellte: Dem einzelne Karteneinschub.
Der einzelne Karteneinschub
Eben noch traf ich ein Paar, welches erlebte, wie man der Fotografin auf der Hochzeit die Kameratasche mit den Speicherkarten aus der Kirche klaute. Ich dachte sofort: Amateurin. Und das denke ich auch weiterhin, denn ein Profi hat eine kleine Festplatte am Gürtel, in der er die vollen Speicherkarten überspielt und dann separat von der Festplatte aufbewahrt. Doppelte Sicherheit eben! Doppelte Kameras mit doppelten Karteneinschüben, plus doppelte Sicherung. Und damit auch echte Preise für Hochzeitskunden. Aber manche Hochzeitskunden scheinen ja billig zu wollen…
So ist das auch mit den Fotos in der Kamera. Da gehören zwei Speicherkarten hinein und man speichert als Profi auf beiden Karten die gleichen Bilder. Aber es gibt ja immer noch Leute, die glauben, dass eine Karte genug sei. Reicht Ihnen auch eine Festplatte ohne Backup? Mal ehrlich, da hat sich Canon wie Nikon einen Witz erlaubt, der die Kamera für Profis wie ambitionierte Amateure unzuverlässig und unbrauchbar macht.
Video Kartenfehler Canon EOS R
Der Canon-Sensor ist alt. Das ist auch einer der Gründe, warum man bei 4K-Video einen Crop-Faktor von 1.7x hat. Er ist kein BSI-Sensor. Er hat kein IBIS (5-Achsen-Stabilisierung im Gehäuse).
Der Preis ist ein weiteres Manko. Zwar sieht es so aus, als habe die Kamera ähnliche Bildqualität wie die EOS 5D Mark IV, aber die war auch deutlich zu teuer. Ich persönlich würde behaupten, dass die EOS R nach nur einer weiteren Kamerageneration für EUR 1.500,- zu bekommen sein wird, da sie zu viele Mankos mit sich bringt. Was mich zum Fazit bringt:
Fazit Pro und Contra Canon EOS R – Meine Meinung
Der Vorstoß von Canon in die spiegellosen Systemkameras ist korrekt. Man darf sich aber nicht einbilden, dass Canon das für den Fotografen unternimmt. Es geht ums Geld. Anders ist nicht zu erklären, dass nicht die wichtigsten Anforderungen an eine spiegellose Spitzenkamera erfüllt werden und so viele Contra-Punkte zu finden sind. Einer davon ist ein absolutes K.-o.-Kriterium für die EOS R und für den Hersteller. Hätte man wie bei der Entwicklung der EOS 7D die Kunden gefragt, was in der Neuen hätte drin sein müssen, so wäre der Fehler mit dem einzelnen Karteneinschub nie passiert.
Canon und Nikon haben mit der einzelnen Speicherkarte der neuen Spiegellosen Vollformatkameras den größten Fehler in der Firmenhistorie begangen. Totalversagen des Managements. Meine Meinung.
Wie gut die Kamera auch in der Bildqualität sein mag, sie taugt nicht für Profis und Vlogger. Noch dazu ist der Preis zu stolz und kann nicht konkurrieren. Sehen wir von vorhandenen Canon-Objektiven und Blitzgeräten ab: Würden Sie für etwa EUR 2.500,- eine EOS R kaufen oder für EUR 1.500,- eine Fujifilm X-T3? Dazu benötigen Sie doch auch noch mindestens ein Objektiv!
An der Stelle (Gesichtserkennung im Serienmodus) kann man nachfragen: Wurde die Kamera zu schnell aus dem Boden gestampft? Ist sie nicht fertig?
Viele Menschen wollen heute ohnehin leichte und gute Kameras kaufen, die sie auch mal auf eine Bergtour und Städtetour mitnehmen können. Da kommt keine Vollformatkamera in Frage, sondern eine Kompakte, Bridgekamera oder spiegellose APS-C-Kamera.
Bei allem EOS R Pro und Contra, für Canon-Fans kann die Kamera eine gute Wahl sein. Das hängt auch von der Bildqualität mit den alten Objektiven ab. Für den professionellen Einsatz oder für wichtige Fotos (welche sind überhaupt unwichtig), ist die Kamera nicht zu gebrauchen, wie man an den Speicherkartenfehlern im Test von Tony Northrup erkennen kann.
Nachtrag vom 23.09.2018
Auf Grund des Kommentares von Stefan Hirschberger (siehe unten, vielen Dank!), ist der Hinweis erlaubt, dass man sich gut überlegen sollte, ob man in die neuen Objektive von Canon für die EOS R investiert. Schließlich sind das richtige Investitionen die alternativ ebenso gleich den Schritt zu Fujifilm oder Sony erlauben. Beide Unternehmen sind technologisch vier Jahre weiter.
Canon für mich persönlich
Ich persönlich werde das Gefühl nicht los, dass Canon nur den Wechsel von hunderttausenden Canon-Besitzern verhindern will. Diese spiegellose Vollformatkamera richtet sich doch nicht an Fotoeinsteiger! Die Spiegellose ist nur ein Hinweis vom Hersteller: Hey, wir sind noch am Markt.
Aber diese Kamera kann nicht überzeugen, Canon.
Würde mich persönlich auf der Photokina 2018 jemand von der EOS R überzeugen wollen, so würde ich immer wieder dankend ablehnen: Fehlender zweiter Speicherkarteneinschub, Preis, Serienbilder, Video. Ich würde auf die nächste Generation nach der EOS R warten. Oder eben auch nicht mehr warten.
Ich persönlich habe längst den Schritt zu Fujifilm unternommen. Das Unternehmen ist weiter, begeistert mich mit Innovationen, Firmware-Updates die nicht nur Fehler beheben, sondern laufend Funktionen hinzufügen. Die Bildqualität ist umwerfend, die Objektive sind das Beste, was man für Geld kaufen kann. Die Bedienung ist richtig gut und anders, mit der Blendeneinstellung am Objektiv. Alle Einstellungen wo ich sie möchte. Serienbilder klasse, Video umwerfend, Autofokus, Gesichtserkennung und Augenerkennung das Beste was geht. Innovationen wohin man sieht.
Was ist die Neue von Canon? Nicht mal gut abgeguckt. Nicht zu Ende gedacht. Gute Ideen auf der einen Seite, totale Denkfehler auf der anderen. Was auch immer: Der fehlende zweite Speicherkarteneinschub ist unentschuldbar.
Eines ist für mich sonnenklar: Die Ära Spiegelreflexkameras ist mit der Photokina 2018 vorüber.
Fotos: Canon
© Peter Roskothen ist Profi-Fotograf, Fototrainer, Fotojournalist – Canon EOS R Pro und Contra
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