Andreas Gursky zeigt Fotografien aus vier Jahrzehnten im MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg. *fotowissen war im Museum und hat sich die Ausstellung für Sie angesehen. Es stellen sich viele Fragen wie:
Ist Andreas Gursky ein Künstler oder ein Handwerker?
Andreas Gursky Ausstellung Duisburg
Sicherlich hätte ich gerne eine kleine Anleitung für die Ausstellung bekommen, denn das pure Ansehen der Werke von Andreas Gursky in der Küppersmühle in Duisburg am Medienhafen, brachte wenig Licht in die Intentionen des Fotografen. Und damit stellten sich für mich und meine Begleiter viele Fragen, die unbeantwortet blieben.
Andreas Gursky wurde 1955 in Leipzig als Sohn des Werbefotografen Willy Gursky (1921–2016) und Enkel des Fotografen Hans Gursky (1890–1969) geboren. Ab 1956 wuchs er in Düsseldorf auf, wo es ihn, nach dreijährigem Studium an der Folkwang Universität in Essen bei Michael Schmidt, wieder hin verschlug. 1980 trat er das Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Bernd Becher und Kasper König an. Bei Bernd Becher schloß er 1985 als Meisterschüler sein Studium ab. Von 2010 bis 2018 hatte er eine Professur für Freie Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf inne. Der Künstler lebt und arbeitet in Düsseldorf. Zu seinen Einzelausstellungen zählen seine jüngste Retrospektive im MdbK Leipzig (2021), die in Teilen Grundlage für die Ausstellung im MKM war. Sowie zahlreiche weltweite Präsentationen in der Hayward Gallery, London (2018), dem National Museum of Art, Osaka (2014), dem National Art Center, Tokio (2013), der Stiftung Museum Kunstpalast, Düsseldorf (2013) und dem Louisiana Museum of Modern Art, Kopenhagen (2012). Eine vom Museum of Modern Art, New York, organisierte Einzelausstellung (2001) wanderte zum Centro de Arte Reina Sofia, Madrid, Centre Georges Pompidou, Paris, MCA, Chicago und SFMOMA, San Francisco. Seine erste Retrospektive – „Retrospektive 1984-2007“ – wurde im Haus der Kunst, München gezeigt und tourte zur Istanbul Modern und dem Sharjah Art Museum (2007), dann zur Ekaterina Foundation, Moskau und der National Gallery of Victoria, Melbourne (2008). Andreas Gursky: Werke 1980-2008 im Museum Haus Esters Haus Lange, Krefeld (2008) tourte anschließend zum Moderna Museet, Stockholm und zur Vancouver Art Gallery (2009).
Titel und Laufzeit
ANDREAS GURSKY
09. September 2021 – 30. Januar 2022
Katalog
Aus Anlass der Ausstellung im MdbK in Leipzig ist das Künstlerbuch „–2020. Andreas Gursky“ erschienen, welches nun auch im Rahmen der Ausstellung in Duisburg zum Verkauf steht [188 Seiten, 57 Bildtafeln, Hardcover mit Leineneinband, 30 x 26,3 cm, ISBN 978-3-00-066711-4, eine Publikation von Andreas Gursky, 1. Edition 03/2021.] – 89 EUR –
Veranstaltungsort
MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst
Philosophenweg 55, D- 47051 Duisburg
T +49 (0)203 301948 -11, Fax -21 | E office@museum-kueppersmuehle.de www.museum-kueppersmuehle.de | @museumkueppersmuehle
Öffnungszeiten
Mi 14-18 Uhr, Do-So 11-18 Uhr, Feiertage 11-18 Uhr
Eintrittspreise
Ausstellungen: 6 €, ermäßigt 3 € | Gesamtes Haus: 12 €, ermäßigt: 6 € | Kinder bis 16 Jahre: frei | Familien (2 Erwachsene + Kinder): 18 € ganzes Haus (10 € Ausstellungen) | Kindergruppen (Schule, Kita, Kinderfreizeit): 2 € pro Kind und Betreuer| Jeden Donnerstag freier Eintritt für Duisburger Bürgerinnen und Bürger (gegen Vorlage des Personalausweises)
Das MKM ist Partner der Ruhrkultur.Card. | Weitere Informationen: www.museum-kueppersmuehle.de
Begleitprogramm / Führungen
Begleitprogramm, aktuelle Veranstaltungen: www.museum-kueppersmuehle.de

Beim Eintreten in die großzügigen Museumsräume der Küppersmühle fällt unser Blick auf die kleinen Exponate von A. Gursky. Die Bilder tragen Titel wie
- Ruhrtal (1989)
- Mühlheim a.d. Ruhr, Sonntagsspaziergänger (1985)
- Krefeld, Hühner (1989)
- Duisburg, Brücke (1989)
Leider sprechen mich persönlich diese Bilder nicht an. Sie scheinen leblos, sogar tot zu sein. Es fehlt ein Blickpunkt, eine Aussage. Erklärungen zu den Exponaten findet der Zuschauer hier genauso wenig, wie bei den großen Fotografien der Ausstellung. Lediglich die kleineren Bilder der “Pförtner” vermögen eine deutsche Gründlichkeit der Portraitierten und des Fotografen zu vermitteln. Fast schon ein wenig humorig kommen mir die ernsten Blicke der Pförtner in gediegener Umgebung vor. Es war vielleicht ein frühes Thema von Gursky?

Pförtner, Salzgitter, Düsseldorf, 1982
43,2 x 52,0 cm
© Andreas Gursky
VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Courtesy: Sprüth Magers
Als wir merken, dass Erläuterungen zu den Exponaten fehlen, werfe ich einen Blick in das ausliegende Künstlerbuch (€ 89,-), in dem wiederum ebenfalls ausschließlich die ausgestellten Werke mit Titeln, aber ohne Bemerkungen zu finden sind. Ich lerne, dass es an Sonntagen um 15 Uhr Führungen gibt, die ich vielleicht besser wahrgenommen hätte.

Die großen Rahmen hängen nur wenige Schritte von den kleinen entfernt. Ich bin immer wieder begeistert von großen Fotografien, denn sie zeigen Details, Tiefe und eine Plastizität, die Fotografien in kleineren Rahmen nicht vermitteln können. In der Tat sind diese überlebensgroßen Glasrahmen eine Wucht. Ich muss einige Meter Abstand halten, um die Bilder Gurskys zu erfassen und kann tatsächlich bis auf eine Distanz von einem Meter an die Bilder herantreten, ohne einen Detailverlust zu erkennen. Das bloße Handwerk dieser Abzüge, Glasrahmen, Hängung vermittelt eine Ehrfurcht vor der technischen Leistung des Fotografen. Wie ist es möglich, dass so große Abzüge an einem Stück entwickelt werden? Wie halten die Glasrahmen das enorme Gewicht, ohne Bruch? Mit welcher Kamera sind die detaillierten Fotos erstellt?

Weitere Fragen ergeben sich inhaltlich. Ich glaube erst nicht an Collagen oder Retuschen von A. Gursky. Meine Neugier führt mich zur Suchmaschine und der Antwort, dass Retusche und Collage tatsächlich Bestandteile der Arbeit sind. Das ist eine kleine Enttäuschung (kommt von Täuschung und falscher Erwartungshaltung) für mich, denn ich glaube bei Fotos immer noch an die Wiedergabe von Realitäten. Aber spätestens beim Bild der vier deutschen Politiker (Titel: Rückblick, 2015) verstärken sich die Zweifel an “echten” Zeitzeugnissen.
Meine Vermutung zur Technik der Aufnahme und Weiterverarbeitung lautet, dass Gursky mit einer Fachkamera arbeitet, da er genau auf die Linien achtet und ein exzellentes Ausrichten gelernt hat. Eventuell scannt er seine entwickelten Großformatfilme auf einem Trommelscanner in höchster Auflösung und fügt sie in Photoshop zusammen. Meine Ehrfurcht wächst mit dem Wissen um die riesigen Dateien, die genaue Farbkorrektur und Belichtungskorrektur mehrerer Aufnahmen in einer Collage, das exakte Zusammenfügen und die enorme zeitliche Anstrengung, die sich dahinter verbergen muss. Aus der Pressemappe entnehme ich später, dass A. G. mindestens zwei Drucktechniken für die enormen Abzüge nutzt: Inkjet-Print, Diasec und C-Print, Diasec.
Rückblick, 2015

Endlich eine gute Collage mit vier deutschen Bundeskanzlern. Humorig fotografiert, sehen wir Kopf und Schultern der Protagonisten vor einem ähnlich langweiligen Bild, wie auch Gursky sie produzieren kann. Eine Selbstkritik?
Hamm, Bergwerk Ost, 2008

Hamm, Bergwerk Ost, 2008
307 x 223,6 x 6,2 cm
C-Print, Diasec
© Andreas Gursky
VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Courtesy: Sprüth Magers
Eines der beeindruckenden Fotos von A. Gursky in Duisburg. Wenn wir auf das über drei Meter hohe und zwei Meter breite Foto des Bergwerks blicken, werden wir überrascht von der Fülle der Details. Unten im Bild bilden die Bergleute die wichtige Beziehung zu den persönlichen Dingen in der Weißkaue.
Ist Gursky ein Künstler?
Während des Ausstellungsbesuchs und in den Tagen danach stelle ich mir wiederholt die Frage: Ist Gursky ein Künstler? Habe ich Kunst gesehen? Ich zweifle, denn die Arbeiten zeigen für mich mehr präzises Handwerk in Sachen Fachkamera, Linien, Bildwirkung. Aber ich denke heute, ich habe die Frage falsch gestellt, die hätte lauten sollen:
Sind Gurskys Werke für mich Kunst?
Ich persönlich habe eine Antwort auf die letzte Frage gefunden und ordne den Fotografen in die Rubrik des Handwerks ein. Aber bitte: Ich denke auf die Frage kann jeder *fotowissen Leser selbst beantworten. Ich rate Ihnen dazu, die großen Exponate zu besuchen. Am sinnvollsten ist Ihr Besuch im Rahmen einer Führung, um die Werke besser zu verstehen.