Den Kontrastumfang der digitalen Kamera erhöhen: In unserem ersten Teil der Serie “Dynamikbereich der digitalen Kamera – Kameradynamik” haben wir über die beschränkte Kameradynamik erfahren, dass der Dynamikbereich der digitalen Kamera nicht für jedes Motiv ausreicht. In diesem Teil der Folge geht es darum, was Sie tun können, um die Kameradynamik zu erweitern oder zu überlisten:
Wie einfach Sie die Lichter und die Tiefen in einem Bild verewigen.
5 Lösungen für die Überlistung des Kontrastumfangs.
Kontrastumfang der digitalen Kamera erhöhen
Wir werden mit diesem Beitrag weder den Sensor verändern, noch die Kameraelektronik verändern um den Kontrastumfang der digitalen Kamera zu erweitern. Der Titel ist irreführend, denn was wir wirklich unternehmen, sind mögliche Tricks den Kontrastumfang unseres Bildes zu erhöhen, oder die Kameradynamik bestens zu nutzen. Ich stelle Ihnen fünf Mittel vor, um den schwierigen Hell-Dunkel-Kontrast in manchen Fotografien zu erweitern. Denken Sie an Bilder wie dieses:
*fotowissen gibt Ihnen Tipps, um den Dynamikbereich der digitalen Kamera richtig auszureizen:
Dynamikumfang JPG oder RAW
Die beste Bildqualität für hohen Dynamikumfang ist das RAW-Dateiformat (16 Bit), nicht das JPG-Dateiformat (8 Bit). Die Möglichkeiten in diesem Artikel lauten:
- Unterbelichten (keine Kontrasterweiterung)
- HDR-Foto
- Verlaufsfilter
- Blitzen
- Dynamik Range Kameraeinstellungen
1. Unterbelichten
Wie der Leser DWL in seinem Kommentar richtig bemerkt, ist diese Methode keine Kontrasterweiterung, sondern dient lediglich dazu, den Dynamikbereich der Kamera bestens zu nutzen (Nachtrag). Manche Fotografen schwören darauf, ein Motiv unterzubelichten. Es hat sich herumgesprochen, dass mittels Bildbearbeitung die Lichter im Foto sehr viel schwerer wiederherzustellen sind, als die Tiefen im Bild. Das Histogramm (Tonwertkurve) und die Überbelichtungswarnung ist unsere beste Hilfe bei der Unterbelichtung.
Wir belichten das Foto so, dass die Lichter im Histogramm nicht an die rechte Kante anstoßen (Fachbegriff Clipping) und keine Überbelichtungswarnung erzeugen. Die Überbelichtungswarnung kann in vielen Kameras eingeschaltet werden und blinkt meist schwarz im Sucher / Display an den Stellen, in denen die Lichter ausgebrannt sind. Hier ein Bild vom Histogramm und von der Überbelichtungswarnung (heißt im Fujifilm-Menü “Glanzlichtalarm”):
Wenn Sie das Bild unterbelichten, dann führt das Histogramm rechts nicht mehr das Clipping und die Überbelichtungswarnung mindert sich. Mit der Sonne im Foto werden Sie die Überbelichtungswarnung nicht gänzlich wegzaubern, aber so wird das Bild in den Lichtern besser gezeichnet:
2. HDR High Dynamik Range
Manche Fotografen belichten kontrastreiche Motive, die gleichzeitig sehr helle und sehr dunkle Partien beinhalten, in HDR als RAW-Fotos. Doch was ist ein HDR-Foto:
Die HDR-Fotografie ist ein Trick um den Dynamikumfang der Kamera zu erweitern. Zwei, drei oder mehr (5, 7, 9) verschiedenen Aufnahmen werden aufgenommen und anschließend zu einem Foto zusammengefügt. Fotografen belichten meist drei Aufnahmen zum Beispiel mit -2 EV, 0 EV, +2 EV (AEB-Bracketing). Werden die drei Belichtungen automatisch in der Kamera (z. B. Fujifilm X-T4, X-S10, …) oder am Rechner mit Hilfe einer Software zusammengefügt, dann werden aus dem zu hellen Foto (+2 EV) die dunklen Partien (Tiefen), aus dem zu dunklen Foto (-2 EV) die hellen Partien (Lichter) zu einer Aufnahme verbunden. Auf diese Art wird der Dynamikbereich der Kamera erweitert. Das Ergebnis hat vor Jahren immer wieder mit unnatürlichen Ergebnissen Aufsehen erregt, bis sich die meisten Menschen daran satt gesehen hatten und inzwischen sind auch natürliche Bildergebnisse an der Tagesordnung. Für natürliche Fotos mit der Wahl des Aussehens empfehle ich Ihnen diese HDR-Software:
Ein Nachteil von HDR ist die Verarbeitungszeit der Bearbeitung im Kameracomputer, oder die Verarbeitungszeit am Rechner mit Hilfe der Bildbearbeitungssoftware. Eine weiterer Einschränkung der HDR-Technik ist, dass keine zu großen Bewegungen in den drei aufeinander folgenden Aufnahmen passieren dürfen, da ansonsten leicht Geisterbilder entstehen. Oder in anderen Worten: HDR-Fotos sind gut für Landschaftsfotos, Naturfotos, Stillleben, aber nicht für alle Fotogenre.
3. Verlaufsfilter
Um eine gute Zeichnung im Himmel (in den Lichtern) einer Landschaftsaufnahme zu erhalten, verwenden Fotografen auch Verlaufsfilter. Das sind Filter vor dem Objektiv, die oben dunkel und unten hell sind, um den Himmel abzudunkeln. Auf diese Art kann die Kamera im Himmel Details abbilden, die sonst ausgefressen (weiß) wären. Dieser Trick hat ebenfalls Nachteile, denn das Hantieren mit dem Verlaufsfilter ist nicht trivial und kann überdies einen Baum oder Berg, der in den Himmel ragt mit abdunkeln. Außerdem werden ausgebrannte Lichter weiter unten im Bild nicht abgedunkelt (Bildergebnisse sind simuliert, da ich keine Verlaufsfilter nutze):
Wer in das Thema Graufilter und Grauverlaufsfilter tiefer einsteigen möchte, dem empfehle ich diese Artikelreihe von Ulrich:
4. Blitzen
Wenn wir das bekannte Motiv der Rollei mit dem Himmel im Hintergrund anblitzen, dann ist diese Aufnahme gerettet, ohne HDR, Verlaufsfilter oder andere Klimmzüge. Das ist zum Beispiel auch eine gute fotografische Möglichkeit für Portraits außerhalb des Fotostudios:
5. Dynamik Range Einstellungen am Beispiel Fujifilm
Eine weitere Lösung, um mehr Kontrastumfang in einem Foto zu belichten, bieten uns verschiedene Kameras, wenn auch längst nicht alle. Eine Fujifilm-Kamera beispielsweise bietet die “Dynamik Range” Einstellungen. Was sind denn die Dynamik Range Einstellungen überhaupt und was bewirken sie? Betrachten wir die Kameradynamik einmal anhand einer Fujifilm-Kamera. Die Dynamik Einstellungen für eine Fujifilm Kamera wird in vier Einstellungen angeboten:
- Auto
- DR 100% (Dynamik abgeschaltet)
- DR 200% (Dynamik eingeschaltet +1 EV)
- DR 400% (Dynamik eingeschaltet +2 EV)
Die DR (Fujifilm Dynamik Range Einstellungen) auf DR 100% bewirkt eine Abschaltung der Kameradynamik, die DR 200% eine Erweiterung des Dynamikbereiches um eine EV (Blendenstufe) und die DR 400% um zwei EV. Die Auto-Einstellung wählt DR 100 oder DR 200.
Um die Einstellungen zu wählen, müssen Sie in aktuellen Fujifilm-Kameras die ISO 320 wählen, um DR 200% einzustellen und ISO 640 für DR 400% voreinstellen. Ältere Kameras wie eine X-T4 benötigen ISO 400 und ISO 800. GFX-Kameras ISO 200 und ISO 400.
Beste Fujifilm Dynamik Range Einstellungen
Sie können in Ihrer Fujifilm-Kamera die Dynamik erhöhen. Dazu stellen Sie im Menü oder im Quickmenü die Dynamik Range Einstellungen auf einen bestimmten Wert. Wie immer im Leben hat auch diese Erhöhung des Kamera-Dynamikbereichs einen Nachteil: Sie können diese Einstellungen ausschließlich mit etwas höheren ISO-Werten wählen. Für die DR 400% Einstellung benötigen Sie bei Fujifilm-X-System-Kameras mindestens 640 ISO. Damit bekommen Sie ein kleines Rauschen im Bild, was aber bei vielen Aufnahmen kaum zu sehen ist, oder je nach Geschmack keine Rolle spielt. Ich persönlich nutze die Fujifilm ISO Einstellungen meistens aus der Hand bis ISO 12.800.
Die DR 400%-Einstellung bewirkt eine Dynamikerweiterung um etwa 2 EV (Blendenstufen). Damit werden in kontrastreichen Motiven mehr Tiefendetails und mehr Lichterdetails sichtbar. Der Trick ist legitim und funktioniert mit einer einzigen Aufnahme, also ohne die Gefahr von Geisterbildern.
Fuji Dynamik Range RAW und JPG
Viele Experten meinen, dass die Fujifilm Dynamik Range Einstellungen nur im JPG einen bessere Dynamikumfang bewirken, tatsächlich ist aber auch das RAW-Bild umfangreicher. Das kann man in diesem *fotowissen-Experiment gut verfolgen, in dem ich für den Nachweis mit Absicht um drei Lichteinheiten / Blendenstufen zu hell belichtete. Beide Aufnahmen wurden nachträglich in Capture One 21 (auch in anderer Software möglich) um -3 EV dunkler gestellt. In der Aufnahme mit DR 100% (in anderen Worten ist damit die Fujifilm Dynamik Range Einstellung abgeschaltet) ist es nicht mehr möglich die Details in den Lichtern wiederherzustellen. Wohl aber in dem Bild mit Einstellung DR 400%. Alle drei Aufnahmen im Vergleich inklusive Ausschnittvergrößerung (Achten Sie auf die Zeichnung im Schnee und in der Christrose):
Direkter Vergleich Fuji RAW-Foto Dynamik Range
Links der Ausschnitt aus dem RAW-Foto mit DR 100%, rechts das DR 400%:
Das ist der Beweis, dass der Dynamikumfang mit entsprechender Einstellung auch in RAW-Fotos erweitert wird. Natürlich gilt das auch für JPG-Fotos, bei denen Lichter nicht mehr wirklich gut herzustellen sind.
Dieser Beitrag war 35 Stunden Arbeit. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Sie können *fotowissen und den Serverkosten helfen, wenn Sie über die Produktlinks gehen. Auch für einen Blick auf die individuellen Fotokurse bin ich Ihnen dankbar. Nur so kann ich diese Zeit in die Fotoartikel investieren. Vielen Dank!
© Peter Roskothen ist Profi-Fotograf, Fototrainer, Fotojournalist – Dynamikbereich der digitalen Kamera – Kameradynamik und Kontrastumfang Fotografie
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